Ostereier



Um Ostern herum neigen Menschen ja gerne dazu, ihre dicken Eier zu zeigen. Protzprotz von und zu Snobbiesnob, während ich an einem alten Graubrot mit Dosensardine mümmle. Zu mehr reicht's einfach nicht, die finanziellen, geistigen und insbesondere eierkörblichen Mittel sind einfach beschränkt. Um so außergewöhnlicher mein Twin-Peaks-Ei, das ich dieses Jahr präsentieren darf.

Ich sitze also in der Sonne, höre Klaviermusik (Henry Cowell), betrachte das Twin-Peaks-Ei, das im Inneren ein Geheimnis trägt ("Das Geheimnis von Twin Peaks") und folge der Geschichte eines weiteren Easter-Eggs. Zur Erbauung sah ich über die Feiertage Ein Herz und eine Krone (Roman Holiday), was mich immer sehr rührt, weil der Film beschreibt, wie ich einmal aus meinem goldenen Gefängnis ausbrach und tatsächlich eine Nacht lang in einer großen, aufregenden Stadt etwas "erlebte", wie man so sagt. (Dann aber rief die Bloggerpflicht mich zurück zu Norm und Etikette.) Im Film haben die das etwas verdreht, aber die Erzählung ist noch erkennbar.

Jedenfalls geht es in einem kleinen Detail um dieses Bild, dessen Herkunft mir noch nicht genau klar ist.



Es stammt als Dekoration aus einem Foto von 1999 des Pariser Fotografen Gilles Berquet, ist aber selbst ein Zitat. Ich dachte zunächst, ich hätte es bei Mark Ryden gesehen, kann das aber nicht verifizieren. Irgendsoeine Surreal-Späßle-Quelle. Oder eben Roman Holiday. Dort steht die Hauptfigur (also ich, hier aber eine Frau) vor einem Friseur in Rom (nicht aber zum Beispiel New York, was eine große Stadt in den USA ist) - und im Schaufenster steht dieses Bild.



Offenbar gar kein popsurrealistisches Porträt zusammengewachsener Zwillinge, sondern eine Friseurreklame, ein Vorher-Nachher-Bild womöglich, das möglicherweise auch nur im franko-italienischen Raum bekannt war. Die Bildersuche im Internet brachte bislang nichts, man muß also tiefer einsteigen, um die Herkunft dieses Ostereis im Film zu finden. Bin also vorerst beschäftigt, oder wie die Schauspielerin, die da mein Leben spielt, in einem später entstandenen Film sagt: "Auf Reisen".

 
herrrau - Dienstag, 19. April 2022, 19:07
Den Film habe ich neulich auch gesehen, ohne das Bild zu bemerken, natürlich; und ohne selbst je Vorbild gewesen zu sein für so eine Geschichte - obwohl ich andererseits mal eine Nacht in einem nicht restaurierten Loft verbracht habe, ganz keusch, mit einer jungen Frau, die ein wenig aussah wie Audrey Hepburn, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich habe, neugierig geworden, selbst nach Spuren des Bildes gesucht. Anscheinend hat Weegee gerne solche Bilder gemacht (und sie sind etwas gruslig, wie ich überhaupt beim Suchen nach solchen Bildern einen heftigen Filter empfehle): https://vintagenewsdaily.com/three-eyed-cat-photos-by-weegee/

Auch weitere, signifikantere Spuren habe ich gefunden, weiß aber nicht, ob ich die teilen soll, weil das Suchen doch Spaß macht.

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kid37 - Dienstag, 19. April 2022, 20:28
Nicht sagen, nicht sagen! Es ist wie dieser Moment, wo man eine Melodie im Kopf hat und einfach nicht draufkommt, aus welchem Schlager man die kennt. Ich werde mir am Ende die Hand vor die Stirn schlagen.

Nicht restaurierte Lofts sind ja die Plätze für die schönsten Filme im Leben. Habe schon überlegt, mir eines als Puppenstube nachzubauen.

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herrrau - Dienstag, 19. April 2022, 23:50
Ich sage nichts. An einem Ziel angelangt bin ich ja ohnehin nicht.

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fabe - Dienstag, 19. April 2022, 22:13
Lässt sich extrapolieren (so sagt man doch in Fachkreisen?) was dort unter dem Doppelportrait geschrieben steht? Das könnte wmgl. helfen.

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kid37 - Dienstag, 19. April 2022, 22:32
Das ist leider nur ein Detail eines größeren Fotos, man kommt da leicht auf Rasterpunktebene. Meine Augen sind auch nicht mehr die jüngsten, aber vielleicht kann ich es nachschärfen. Bis dahin versuche ich das reverse Erinnerungsengineering - irgendwoher kenne ich das Bild! War schon bei Barbara Stanwyck aus Double Indemnity, was ja eine coole Anspielung wäre, weil ja auch Roman Holiday ein Spiel mit Wahrheit und Lüge und dazu eines mit verborgenen Identitäten ist. William Wyler hat sich doch bestimmt was dabei gedacht!

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bubo.antville - Mittwoch, 20. April 2022, 18:17
Sehr spannend!
Die Bildunterschrift oben scheint was französisches zu sein. Die zwei Bilder sind doch aber sehr verschieden?

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kid37 - Mittwoch, 20. April 2022, 19:32
Ich vermute, es ist eine über Jahre verwendete Werbung, möglicherweise für Haarfärbungen, da die Dame links etwas brünetter aussieht als die blondierte daneben. Vielleicht hat sich die Wellenrichtung im Laufe der Zeit verändert - so wie bei den Brandt-Zwieback-Kindern. Will noch mal sehen, ob ich den Text mit einem Fadenzähler lesen kann. Und aus dem Film versuche ich einen anderen Screenshot zu bekommen, der vielleicht mehr zeigt.

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kid37 - Mittwoch, 20. April 2022, 19:51
Heiße Spur
Hier noch mal ein Screenshot aus Roman Holiday:



Oben auf dem Rahmen könnte "Imedia" stehen, ein Haarfärbeprodukt von L'Oreal in Frankreich, das z.B. auch in Spanien verbreitet war : "In 1950, a company was formed in Madrid to manufacture and distribute a range of hairdressing products, such as Oreol-Tratante, Oreol-Régé and Imedia, all of which were successful, thanks to their effectiveness and innovation."

Hier gibt es eine etwas ältere Werbung im ähnlichen Stil.

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kid37 - Mittwoch, 20. April 2022, 19:52
(Werde aber trotzdem die - möglicherweise falsche - Erinnerung nicht los, dies als eventuell zitierendes Gemälde gesehen zu haben.)

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kid37 - Mittwoch, 20. April 2022, 19:56
Die SZ hat es mal beschrieben: "Der Erste Weltkrieg ist vorbei, bei Frauen kommen Kurzhaarfrisuren in Mode, die sich leichter färben lassen, und Schueller nutzt seine Chance. Er mischt das Färbemittel Imédia, das ihm zum Durchbruch verhilft."

Reklame also. Interessant, wie verstörend surreal das Bild in anderem Kontext wirkt.

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herrrau - Mittwoch, 27. April 2022, 17:57
Hier eine Imédia-Anzeige, die auf das Jahr 1949 datiert wird, mit "signs of Salvador Dali's influence":
https://www.pressreader.com/canada/national-post-latest-edition/20091021/282286726330782
Aber ich nehme an, dass es nicht um ein konkretes Werk geht. In "Spellbound" (1945) gibt es auch viele Augen.

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kid37 - Mittwoch, 27. April 2022, 19:25
Auch interessant. Jetzt muß ich nur noch diese pochende Stelle in meinem Hirn beruhigen, die mir suggeriert, es gebe das Bild aus dem Berquet-Foto als kleines Pop-Surrealism-Gemälde. Nur von wem. Von wem.

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