Ballade vom braven Mann
In meinem Debütpolitroman Die Ballade vom braven Mann erzähle ich die Geschichte eines älteren, alleinlebenden Mannes, den Nachbarn als "stets freundlich und unauffällig" beschrieben, der aber eines Tages beschloß, sich gegen das System aufzulehnen und sein Glück in eigene Hände zu nehmen. Auf den Tag folgte die Nacht, und in der brach er, nur mit einem Schraubenzieher, eisernem Willen und einem mathematischen Plan ausgerüstet, in eine Lottobude ein, fuhr den Rechner hoch und hackte sich in das Buchungssystem ein. Zunächst stellte er die Systemuhr auf eine normale Öffnungszeit um, dann buchte er in langer Vorbereitungszeit vorab ausgefüllte Lottoscheine mit variierender Superzahl ein. 14 Millionen Stück.
Symbolbild Strand
Erwartungsgemäß, ich will nicht zuviel verraten, war darunter ein sog. "Hauptgewinn" (und mehrere kleinere), die er ordnungsgemäß bei der Lottogesellschaft deklarierte, den Millionenbetrag nach ausführlicher Sicherheitsbelehrung und Ausgabe mehrerer Fondssparprospekte seiner Bank vom Konto abhob und mit einer prall gefüllten Reisetasche nach Wuppertal fuhr. Ich weiß, daß jetzt einige von der Handelskammer approbierte Witzbolde wie von einer Zwangskrankheit befallen auf Loriot verweisen werden. Jedoch hatte der Held des Romans, der durchaus autobiografische Züge trägt, Verwandtschaft in der kleinen Metropole des Bergischen Landes.
Er traf sich dort auch mit dem ein oder anderen Anhang in einem nicht besonders besonderem Café, erklärte stets freundlich und großzügig, "laß mal, ich zahl schon" und ging dann zurück zum fußgängerunfreundlichen Bahnhof, wuchtete die Tasche über Treppen und Treppen und dann weitere Treppen zum anderen Gleis, dachte jedoch nicht im Traum daran, Stadt oder Bahn ein paar Mark für eine Rolltreppe dazulassen. Briefkästen waren alle abgebaut. Statt in die große Stadt zurück fuhr der Zug, in den er stieg, direkt durch (ist ein fiktionaler Roman) in ein kleines Dorf an der südfranzösischen Küste, wo er in jungen Jahren mal eine ebenso junge Frau geküsst hatte, die Proust las, der er aber nicht intellektuell genug gewesen war.
Er nahm sich eine kleine Wohnung mit Blick aufs Meer, grüßte stets freundlich die Nachbarn, sagte "Merci" und "Au revoir", kaufte am Nachmittag von der Mittagssonne bereits etwas welk gewordenes Gemüse und öffnete sich dazu abends eine Dose Sardinen, füllte einmal in der Woche einen Totoschein für die erste französische Liga aus und lebte ansonsten ein unauffälliges Leben ganz wie früher in seiner alten Heimat.
Wie so eine Einsiedlerbiene. Sie könnten auch strategisch Zugtickets hinterlassen. Das Meer ist ja für alle da. Und ich kann aus Erfahrung sagen: Sobald man am Meer wohnt, wird man auch besucht.
Da hat meine Romanfigur einen Fehler gemacht. Ich persönlich würde ja in einen
Leuchtturm an der Atlantikküste ziehen. Da hat sich das mit dem Besuch schnell geklärt. (Sieht beengt aus, aber wenn man was erleben will, kann man sich an den rotierenden Hohlspiegel oben in der Kuppel klammern und ein wenig Karussell drehen.)
Oh, da sage ich wie der Mann in meinem Roman auch Merci! Das Trio kenne ich gar nicht, weil ich im Gegensatz zu praktisch allen anderen Dinge keine Ahnung von Jazz habe, das aber umso unbefangener hören kann, ohne auf Nerd-Belehrungen wie "Das geht nur in der Version xy", "Nur auf 800-Gramm-Vinyl auf einer Thorens Dingsda-Anlage" usw. achten zu müssen. Gefällt mir gut.
ich überschlage mal grob, dass uns hier nunmehr der
52. Debütroman des Autors vorliegt. Davon ausgehend, bzw. hoffend, dass Demenz keine Rolle spielt, gratuliere ich zu diesem cleveren Reklamefeldzug!
Ich schreibe ausschließlich Debütromane. Denn die werden von der Kritik meist freundlich behandelt! (Bachmannpreis mal ausgenommen.)
Nach Ihrem Einstieg in die Geschichte ("stets freundlich und unauffällig") befürchtete ich ein schreckliches Ende; aber es ist ja doch eher herzerwärmend.
Wenn ich schon autobiografisch anfange ("stets freundlich und unauffällig"), wollte ich es zu einem versöhnlichen Ende führen.
"nicht intellektuell genug"
Es sind die (vermeintlich ) kleinen Schnitte 🔪🔪🔪 .. . . . . ...
Der Protagonist meines Debütromans hat sich das über Jahre gemerkt. Ach was. Jahrzehnte!
In der Verfilmung könnte der Protagonist am Ende so eine
Jacke tragen.
Als Sinnbild dafür, warum er sein Leben lang alleine geblieben ist.
Mumpitz! Wer, wenn nicht er könnte die Trendfarbe 2021 Butter derart souverän kombiniert tragen. Da werden nicht nur Frauenherzen schmelzen..
Ich hatte nach dem Sempf-Debakel berechtigte Hoffnung, dass Butter uns erspart bliebe.
Der Protagonist meines Debütromans kann ja alles tragen. Auch Brot, Blau und Butter.
Dann ist das mit dem Leuchtturm aber auch wieder Verschwendung.
Als Linguisten-Ultra möchte ich noch anmerken, daß es in der deutschen Sprache interessanterweise nur fünf Wörter mit der Endung -nf gibt: Hanf, Fünf, scharfer Senf, mittelscharfer Senf, süßer Senf. (Den Eigennamen "Genf" lasse ich mal raus.)
Erlaube mir, als Nummer Sechs und Farbkompromiss auf ukrainischen
Krensenf mit Rauna (Meerrettichmostrich mit Rote Bete) hinzuweisen.
Zweihundertfünf. Mir scheint, dass wir uns erst auf eine gemeinsame Definition von „Wort“ einigen müssten, aber wir einigen uns ja so schlecht auf Dinge. (Und das ist auch nicht trivial!)
Zu der niedrige Frequenz von -nf im Auslaut: Die Lautfolge ist phonologisch im Deutschen nicht vorgesehen. Daher ist das a) nicht produktiv und b) sagen wir eigentlich Sempf, das können wir Deutschen nämlich besser sagen.
/professor
Manche überkompensieren das dann, so wie Rheinländer oder Hessen auch gerne "Fich" sagen vor lauter "sch"-Phobie. Jedenfalls hatte ich in der Grundschule eine Lehrerin, deren Nachname auf -nft endete; jemand schrieb dann den Namen mit -mpf auf sein Hausaufgabenblatt, da war sie aber völlig humorlos und argumentierte eindeutig pro -nft. Und eine andere, die sich hervortun wollte, hob den Finger: "Ja, früher dachte ich auch, es hieße Strumpf und Schlumpf, aber es heißt ja Strunf und Schlunf". Daran wärme ich noch heute mein Herz.
Ich habe ja ein kaltes Herz und war mal verlobt. Der Herr kam vom Niederrhein, sagte Spocht und focht, und da auch ihm das Überkompensieren (auf verschiedenen Gebieten) nicht fremd war, hieß es dann "Dort", wenn der Schnupsi der Kerze runtergebrannt war. Ich konnte mit dem Dort nicht leben.
Ähm, das, ähm, also man verlinkt ja eigentlich nicht auf sein eigenes Blog, aber docht habe ich vor Jahren, also ich hoffe in
dem Fall, dass die Ausnahme in Ordnung geht. (Nebenbei, "Auf verschiedenen Gebieten" ist doch auch schon wieder so ein Herzwärmer!)
Das ist ja verrückt, gut, dass Sie das verlinkt haben! Und ich war mir nicht sicher, ob man die Gebiete nicht überliest, hatte aber Spaß beim Schreiben ;-)
Krensenf! Fantastisch. Ich glaube, das ist was für mich. So was gibt es hier im Norden wieder nicht, tausche aber gegen Lakritze, die ja bekanntlich gegen Corona schützt.
Um das Problem von "Docht & Spocht" bekomme ich mein Gehirn nicht drumgewickelt wie man im englischsprachigen Ausland sagt. Das ist ja inkonsistent. Überlege aber, tongue in cheek, wie es mit der Diphtongisierung ist: Wenn man Feuchtgebiete schreibt, womöglich aber Feurgebiete kompensiert hat.
Soviel Senf esse ich nun auch wieder nicht.
Und auf der Kommode in seiner bescheidenen Bleibe könnte im leicht lädierten Muschelrahmen so eine
Aufnahme stecken.
Manchmal schaut er es sich an, und man hört ein tiefes Schluchzen. Könnte aber auch das Geschrei der Möwen sein.