Strahlenkanone, 1:1-Modell
"Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet." Sagte Joseph Beuys, von dem man aber auch schon lange nichts mehr gehört hat. Wer aber sagt, daß Kunst immer beredt sein muß? Allzu oft wird dabei nur ein Name in den Schnee gepinkelt, wichtigtuerisch und mit dem Finger als einziges nach oben womöglich. Ich hingegen habe ich mich - gleichwohl kunstbeflissen - auf einer kleinen Abwärtsspirale absturzergeben ins Meditative zurückgezogen.
Wie weit reicht meine Erinnerung zurück? Da war jedenfalls der Abend mit Meredith Monk, zu dem ich mich zu einem Besuch der Elbphilharmonie überwand, vorfreudig kämmte, Minzwasser auftrug und es - immerhin muß man sagen - bis vor die Aufzüge im von mir schwer kritisierten, aber nicht verhinderten Gebäude schaffte. Weiter aber, da mögt ihr jetzt lachen, kam ich nicht, weil wie ein göttlicher Fingerzeig Unpäßlichkeit mich umfing. Was wieder zeigt, was passiert, wenn man inkonsequent ist. Wirklich frustriert atmete ich flach und flach sitzend auf so einem unterkühlenden Zierfindling vor dem Gebäude. Allein, der Abend war gegen mich entschieden, der Rest nicht protokollierbar. Hilfreich der Verweis gütiger Stimmen, die Dame (grad mal 77 geworden) käme so ungefähr "alle 12 bis 14 Jahre nach Hamburg". Ich bin sicher, sie schafft es. Ich selbst will mich da noch nicht festlegen. Weniger hilfreich die verschiedentlich im Nachhinein geäußerten Bekundungen, der Abend sei "sehr schön" gewesen. Wie kampferölige Salbe rieb sich das ein, und zwar ins tränende Auge.
When the music is over
Nächster Einsatz dann zur bildenden Kunst. Rundgang in der Hochschule für bildende Künste, Hamburg. Auf dem Weg dorthin (mittlerweile kuriert und guter Dinge) aber stürzte ich über seit Wochen aufgeplatzt daliegendes Pflaster und brach mir nur durch extrem meditative Körperspannung beim Aufprall die Hände nicht. (Vielleicht aber doch, die Schmerzen habe ich noch immer.) Seither sieht man mich mit erhobenen und arnikagesalbten Händen getreu der P.E.C.H.-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochhalten) vor meinem Hausaltar. So ruht dann auch mein eigentliches Projekt. Denn ich will ja das Forschungslabor wechseln und als Astrophysiker weiterwirken. Meine kleine Bewerbungsarbeit, die Konstruktion einer Strahlenkanone, für den Fall, daß ich auf Aliens stoßen sollte, aber blieb verletzungsbedingt bei einem Konstruktionsmodell (Maßstab 1:1, Abb. 1) stehen. Ist aber exakt durchgerechnet und muß nur noch in 3D ausgedruckt und mit ein paar Elektrokabel und einem Trafo verbunden werden.
Don't be so picky!
Zum Kunstkontrolbesuch ging es aber trotzdem, Wohlwollen und Stirnrunzeln gleichmäßig verteilend, von gütigen Handbewegungen aber absehend. Das vielfluchtige Treppen- und Gängelabyrinth ist seit langem eine Herausforderung für Kondition und Orientierung, aber seit ich mich im Leben treibe lasse, komme ich irgendwie immer ans Ziel. Es ist wie das viel zitierte Motto toter Vögel: So starr kann man gar nicht sein, als daß es nicht noch irgendwas zu picken gäbe.
Sonic Youth
In der Abteilung Jutta Koether zeigten junge Leute zudem, daß die Energie weiterhin elektrisch ist. Geladen und expressiv. Make some noise. Ich lud meinen verzerrten Körper über die Stahlsaiten auf und startete zu einem kritischen Rundgang. Kaffee & Kuchen in der Mensa sehr gut, Kunst teils, teils. Ich sage dort ja gerne ermunternd "Hm" oder auch "Aha!". Immer wieder gern gehört auch "Das räumen Sie aber noch auf, junger Mann?!" oder ein ermunterndes "Das malen Sie aber noch zu Ende?!". Was bei Atelierbesuchen immer geht, ist: "Mit Scheuermilch und etwas Muskelschmalz geht das ruckzuck weg!".
Beckengymnastik I-III, Stahl, Keramik, Dispersionsfarbe, Zigaretten, Glas
Fast immer insprierend, und auch wenn die immer wiederkehrenden, durchs Curriculum geformten Sujets nicht mehr so oft überraschen, ist doch Jahr für Jahr erstaunlich viel Qualität zu finden. Auch wenn mir dieses Jahr niemand so ins Auge fiel, wie vor zehn Jahren Monika Michalko, die nun in der Ausstellung jetzt! in den Deichtorhallen vertreten ist.
Pimmelmalerei alte, weiße Männer
Zwar angeschlagen, aber zäh verbissen geschafft. Am Ende aber pinkelte spuckte man mir doch in die Suppe. Kurz vor der Wahl nämlich eilten offenbar im Morgengrauen Arbeiter herbei und besserten das Stolperpflaster aus - just bevor ich den Tatort fotografieren konnte, um die Stadt nach kanonischem Recht auf 47 Millionen Euro (die sogenannte "Warburgsumme") Schmerzensgeld zu verklagen. P.E.C.H.
Was die städtischen Beweisvernichtungswichtel angeht: Sie können umgekehrt auch Beweise nachträglich "pflanzen", wie wir Kriminologen sagen. Haben mal ein Tempo-30-Schild Wochen später an der Stelle errichtet, wo man zuvor für Tempo 35 geblitzt hatte.