Würde ich mit diesem Blog noch einmal von vorne beginnen, flögen alle Farbfotos raus. Nur noch Schwarzweiß. Oder besser: graugrau. Wäre das nicht toll, ein Blog, in dem es nur regnet?
Gut, aber Bloggen ist, "what you are writing on the internet while you were having other plans", wie John Lennon einmal sagte. (Jetzt aus dem Kopf zitiert.) Es ist wie es ist, und sollte ich einen falschen Eindruck verbreitet haben, so tut es mir leid.
Am kleinen bemoosten Betonhäuschen, in dem die Müllcontainer übernachten, ein Centstück gefunden. Nun wissen wir ja von früher alle, wie das geht mit dem Glückspfennig. Dreimal draufspucken und immer in der Hosentasche mit sich tragen. Das bringt Glück! Man hat nur das Problem, wenn man von der Neigungslage her Shoegazer ist und immer nur die Smiths oder My Bloody Valentine und manchmal auch New Order hört. Das Schuhestarren bringt es nachvollziehbarerweise mit sich, daß man einen gewissen Vorzug beim Pfennigefinden hat. Was wenig Sinn macht, denn als Shoegazer hat man von der Natur her eine herzensoffene Haltung zur Depression, und da macht "Glück" als Konzept keinen Sinn. Aber siehe, auch dies ist bloß scheinbar. Denn die Heimtücke und gleichzeitig ironiegeträntes Schicksal ist, daß man als Shoegazer alsbald die Hosentasche dick gefüllt mit Kupfermünzen hat. Was schnell zu Haltungsschäden, wenn nicht zu blöden Sprüchen ("Is that a gun in your pocket...") führen kann, sorgt man nicht rechtzeitig für gewichtsausgleichende Verteilung. Linke Tasche, rechte Tasche (daher der Spruch), hinten was, bis man einen Gürtel aus Kupfermünzen trägt. Und dann geh mal im besoffenen Kopf nach einem shoegaze-verhangenen Konzert am Hafen nach Hause und rutsch vom glitschigen Kopfsteinpflaster über so einen Kai ins Wasser! Da kann man dann Spucken wie man will, da helfen einem diese Glückstaler wirklich nur wenig.
Aber das ist sozusagen Zukunftsmusik, denn bislang habe ich heute nur einen Cent gefunden. Das geht sich noch wunderbar aus, und es muß sich niemand voreilig eine Sorge machen.
Im Supermarkt, in den mich mein weiterer Weg dann führte, mag ich besonders diesen Drehständer mit Grußkarten an der Kasse. Dort am Point-of-Sale des besonderen Humors verkündet ein Schild: Heute schon gelacht! (Handlungsanweisung!) und ein weiteres: Humorpostkarten 1,10 €. Witzig wäre doch, so dachte ich heute, jetzt 110 Glückscents auf den Kassentresen zu zählen, und dann haben alle mal gelacht. Insbesondere die gut zwanzig Menschen, die in der Schlange hinter mir standen.
Am Stand der Bäckerei jubelte mir die Bäckereifachverkäuferin schon von weiten zu: "Ein Soundsobrot?" Weil ich nämlich alle paar Samstage dort ein Soundsobrot kaufe. (Das heißt natürlich anders, aber ich will den Namen aus gleich erklärten Gründen nicht verraten und auch keine Werbung machen. Nicht, daß ihr beim Bäcker denkt, ach schau, die haben da Soundsobrot, das ißt der Herr Kid doch immer. Dann kaufe ich das auch. Oder: Dann kaufe ich das extra nicht!) So ein Glück, dachte ich. Nach zehn Jahren in diesem Viertel, bin ich endlich aufgenommen im sozialen Netzwerk der Bäckereifachverkäuferin. Ich bin auch nicht unsichtbar, wie neulich gehofft befürchtet, man kennt sich, eine Art Herr Kaiser des Brotekaufens.
Schön, daß die sich so eine Kleinigkeit gemerkt hat. Andererseits, dachte ich aber im selben Moment, denn jedes Centstück hat bekanntlich zwei Seiten, was, wenn die sich heimlich (Achtung, ein Wortspiel:) ein Zubrot bei einem Geheimdienst verdient. Der dann weiß, aha, Herr Kid, Soundsobrot ißt der also auch, verdächtig, verdächtig, denn Kunden, die Soundsobrot essen, haben bei Amazon auch Bücher über Münzwesen und Aberglaube bestellt. Oder sie wurde von ihrer Bäckereifilialkette dazu verpflichtet, kundenvertrauliche Informationen an das Marketing weiterzureichen. ("Durchzustecken", wie es im Fußballdeutsch heißt.)
Ich werde das wissen, wenn demnächst Werbemails bei mir eintreffen, die mir nicht nur heiratswillige Damen aus Osteuropa, bischofsstabverlängernde Maßnahmen oder auch einfach bloß sinnlosen Kram andienen wollen, sondern insbesondere Soundsobrot. "Herr Kid, Sie sind ein Glückspilz!" wird die Betreffzeile lauten (weiß ich doch, ich hab einen Cent in der Tasche!). "Drei Tonnen Soundsobrot warten auf Sie! Rufen Sie heute noch an, sonst verfällt Ihre Chance! Telefon Null-TausendMark-666! Damen aus Osteuropa warten auf Sie für eine leckere Brotzeit!"
Sonst habe ich mal wieder nichts erlebt.
irl war das dann so naja. weil ich in der lokalen bäckerei gerne dieses brot mit den nüssen gekauft habe. das wurde aber in einer bestimmten form gebacken: ein stehender zylinder, oben offen halt. und trug den namen "kleiner hausfreund". denken sie mal drüber nach.
Habe 3 x laut geschmunzelt, gerade gegen Ende. (Ende gut, alles gut!)
Schwere Jackentasche, da muß man aufpassen. Belastet die Wirbelsäule. Aber Bargeld lacht, auch wenn es Bestrebungen gibt, uns ans Bezahlen mit diesen beknackten Mobiltelefonen zu gewöhnen. (Da träumen die aber von.) Nachhaltig bezahlen mit reparierten Portemonnaies, das ist gut. Ich hoffe, Sie finden da jemanden. Ich bin ja von den lokalen Nähstuben hier ein wenig enttäuscht. Menschen eben.
Dafür war ich neuich statt unter Schafen mit dem Rad im Kuhfladenland. Da ist das dann mit dem Shoegazing auch nicht mehr so angenehm. Aber notwendig.