Alles mal so hingeworfen (aber bio!)

Wir lebten in freigelegten Ziegelwänden/
zwischen Medizinbällen aus braunem Leder.
Wir tranken unser Soja noch aus Genen/
hielten Hunde aus dem Bauhauskatalog.

(Don Pascal, "Dein Liebster war ein Hipster")




Bei mir liegt ja alles immer nur so rum. In meinem Kopf, in meinem Zimmer, in meinem Viertel. Plunder und Zeugs, Plastikreste und durchweichte Kaffeefiltertüten, zerbröselte Eierschalen, Dinge, die wir nicht wissen, Dinge, die ich nur ahne, der Rest ist aus Polyester und Acryl. Ein Versagen an Lebensführung, so heißt es. Wie das oft so ist: Der eine verbettelt sich, der andere verbittet es sich.

Wie schöner ist doch der Dreck der Straße in den aufgeweckten Vierteln, wo die schönen Menschen wohnen. Hier wird nachhaltig gemüllt, hier zeigt man was die Tonne hat und leisten will. Hier wird biologisch verklappt, hier riecht Hipstermüll nach Oleander und Jasmin.

Seit ich auf den Lilienweg gelockt wurde, riecht es schwer und dunkel wie ein Mausoleum. Abends sitze ich mit einem Glas Getränk vor den harten Knospen, warte auf den Moment, da sie aufgehen, sich auffächern zur obszönen Größe, die Sinne vernebeln. Tage später dann der langsame Blumentod. Klagendes Altern, ich rede gut zu, tröste, belehre, halte einen aufmunternden Vortrag. Der Erde warst du entrissen, predige ich. Zur Erde wirst du gehen. Was Blüten halt so hören möchten, geht es ans röchelnde Adieu. Blütenstaub rieselt auf die Flächen, schwere Linnen, Gedanken hängen schwer wie ein Frachtflugzeug an herbstlichen Himmeln. Dann der Bescheid, das war wohl nichts, das kommt nicht wieder. Zusammenwringen also das Blumengestrüpp, einen Knoten machen, zum Müll bringen, leere Olivenölflaschen schmücken, vielleicht Kerzen ausbringen aus echtem Wachs. Schön, schön, schön der letzte Genuß.

Homestory | 12:13h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
maphisti - Mittwoch, 2. Oktober 2013, 01:14
Sind Sie etwa schon wieder so ein bisschen der Zeit voraus? Freuen Sie sich doch einfach über die letzten warmen Sonnenstunden! Ihr "aufmunternder Vortrag" scheint Sie ganz schön nach unten gezogen zu haben!? Jetzt kommt doch wahrscheinlich für Sie der wahre (erste) Genuss!?

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kid37 - Mittwoch, 2. Oktober 2013, 01:57
Na, Sie sehen doch: Ich gehe spazieren, schaue mir die Umgebung an, registriere die Eigenarten verschiedener Stadtteile, entdecke immer wieder Neues und sogar nachhaltigen Abfall. Das Leben ist sehr reich!

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maphisti - Mittwoch, 2. Oktober 2013, 03:10
... aber ist es Ihnen auch sehr tief?

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kid37 - Donnerstag, 3. Oktober 2013, 21:45
Two fathoms deep, wie bei Fahrensleuten.

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maphisti - Freitag, 4. Oktober 2013, 00:26
Zugegeben, das Englische kann ab und an sehr hilfreich sein. Dennoch fährt z. B. Cohen doch noch etwas tiefer mit seinem schönen Lied:"A thousand kisses deep". Sicherlich ist er auch ein guter Rosenkavalier, nehme ich mal so an.

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kid37 - Freitag, 4. Oktober 2013, 01:35
Davon ist auszugehen. Tiefe Küsse sind natürlich nicht zu schlagen.

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ana - Mittwoch, 2. Oktober 2013, 14:36
"Freu Dich auf Genuss" und dann nur Müll. Um so eine Tüte könnte man doch für die weniger Wohlhabenden leckere Dinge drapieren.

Die Biokäufer haben sich aber ganz schön verändert, hinterlassen inzwischen auch viel Müll. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, wo Müllvermeidung beim Kauf ein großes Thema war. Da hat man sogar versucht, für das was man beispielsweise zum Haarewaschen oder Duschen braucht, wiederbefüllbare Flaschen einzuführen.
Moderner und radikaler als Biokunden sind da schon die Freeganer, die sich mit den Resten im Müll bescheiden, meist gar nicht, weil sie es müssten, sondern aus Prinzip. Viele Supermärkte, das finde ich reichlich absurd, versuchen ihretwegen sogar inzwischen ihren Müll gut zu hüten.

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kid37 - Donnerstag, 3. Oktober 2013, 21:52
Bio ist ja manchmal bloß eine Lifestyleentscheidung, die nicht unbedingt umweltgerecht sein muß. Mit gutem Gewissen gekauft und dann gewissenlos entsorgt. Zack. Ich fände das übrigens super, mit so einer Aluflasche im Bedarfsmarkt Seife oder Shampoo nachfüllen zu können. So wie früher™, als es noch lose Milch gab.

Von Discountern las man, daß in manchen Filialen der "Müll" ubrauchbar gemacht, sprich weggeworfene Lebensmittel mit z.B. Putzmitteln übergossen werden. Viel wird immerhin auch an die Tafeln gespendet. Was teilweise, es kommt ja leider nichts ohne Problematik daher, andererseits dazu führt, daß sich die Stadt aus ihrer Pflicht selbst entläßt.

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frau eff - Mittwoch, 2. Oktober 2013, 16:29
"Hunde aus dem Bauhauskatalog" - ich krieg echt einen Lachkrampf!

Die passende Anekdote dazu heute im Park: Es ist offensichtlich das Dienstmädchen, das den Weimaranerhund Gassi führen muss. Gelangweilt hält sie die Leine, während am anderen Ende der Hund an einer Kastanie würgt, die er ganz verschluckt hat. "Hund ist schön aber dumm", sagt die Frau.

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kid37 - Donnerstag, 3. Oktober 2013, 21:54
Weimaraner finde ich allerdings ganz gut. Ich würde meinen Fay Ray nennen, mit lustigen Hüten drapieren und Fotobücher dazu herausbringen. Hipstermänner tragen derzeit aber Modelle wie Deutsche Bracke. Dazu ein Opinel-Messer in der Jackentasche, um im Herbstlaub gefundene Kastanien aufzuschneiden.

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frau eff - Freitag, 4. Oktober 2013, 12:52
In der Hipsterdifferenzialdiagnose bin ich nicht geübt. Bei uns hier gibt es auch keine Hipster, glaube ich. Nur Reiche auf der Lettow-Vorbeck-Straße (sic...).

An einen eleganten Weimaraner könnte ich mein Herz auch verlieren, auch die Bracken sind ja tolle Tiere. Als Rasse aber wohl unerträglich, wenn sie nicht ausgelastet sind oder jagdlich geführt werden.

Wir haben gerade mal wieder den kleinen Schnubbeldiwutz übers Wochenende zu Besuch. Auch diese Rasse ist nicht unproblematisch. Besonders wenn sie wie ein Kleinkind jammern, wenn sie nichts aufs Bett dürfen.

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kid37 - Freitag, 4. Oktober 2013, 20:11
Es gibt solche Straßen noch? Gut, der soll auch eine soziale Ader gehabt haben. So krege Tiere hielten mich wahrscheinlich zu sehr auf Trab, andererseits könnte ich die gut belehren. Ein Rosenhütehund wäre erstmal praktischer, denke ich.

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frau eff - Freitag, 4. Oktober 2013, 20:32
Den Besuchshund heute Nachmittag aus einem Fluss gerettet: mit volle Klamotten ins Wasser, ich! Auto zwei Kilometer entfernt. Keine Dankbarkeit vom Hund. Das Thema ist jetzt erst mal durch.

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