Wöchentliches Telefonat mit Väterchen Kid. 3:34h, drei Minuten zu früh aufgelegt also. Einseitig medizinische Bulletins ausgetauscht, dann handwerkliche Problemfelder besprochen: das Dreieck von Außenputz, Efeu, Fassadendämmung. Anschließend freies Fabulieren und Kramen in der Erinnerung. Er hat die Doku über Gunter Sachs gesehen, schwer angetan. Sie sind so im gleichen Alter, hätten ihre Geburtstage fast zusammenlegen können. Der habe gut gelebt, befindet sein Zeitgenosse. Kluger Kopf, aber auch mutiger Bobfahrer. Zeit für die Frankreich-Anekdote, Ende der 60er, St. Tropez, trés petite Fischerdorf, und diese Party auf der Jacht von Sachs und Bardot. Das klingt dann immer so ein bißchen wie eine Geschichte aus Burtons Big Fish, aber nach Jahren mißtrauischen Zuhörens weiß ich heute, daß die Geschichte wahr ist. Heute ist das nicht mehr möglich, beschließen wir. Die haben nun alle Security.
In Hamburg sind Lesetage. Die Kuratorin der Atomstromlesung hat sich im Gesellschaftssystem vertan und Künstler und Verlage der Gegenveranstaltung per Mail "befragt". Ein Festival von und mit Autonomen, "Öko-Saftproduzenten" und TV-Promis sei es. Selbst haben die Atomstromlesetage wiederum mit Charlotte Sänger Andrea Sawatzki einen TV-Promi Autorin mit großem Namen aufgeboten. Man mag das bewerten wie man will. Wenig Bewertungsspielraum läßt die flankierende Maßnahme des Kuratorinnengatten zu. Der, laut Selbstauskunft ein Hamburger Journalist, der eine obskure "Feuilleton"-Seite im Netz betreibt, fühlte sich offenbar genötigt, im Rahmen von "Recherchen" Arbeitgeber von Initiatoren und Förderern zu "informieren". Ob die wüßten, was ihre Mitarbeiter in ihrer Freizeit für Unternehmungen machten. Na, Kultur natürlich. Und werbefrei.
Die Taz spricht von "kultureller Einflußnahme", was harmlos klingt. Selbst der NDR nimmt sich des Themas an. Und Spon.
Währenddessen tauchte wohl eine Delegation des Atomstromkonzerns bei der Direktorin der Hamburger Bücherhallen auf. Die unterstützen nämlich die Gegenlesung. Bloß ein normales Gespräch, hieß es. Nicht überliefert ist, ob mit leicht heiserer Stimme ein abgeschnittener Pferdekopf als Gastgeschenk überreicht wurde.
Energiekonzerne, Autobauer, Erfrischungsgetränkehersteller. Sie alle suchen ihr Mäntelchen.
Zwei neue Bilder. "Lady Bee" von Silky und als Premium-Content für Blogger, "Man with Pussy" von D.M. Bob. Man sollte mehr elegante Tiere um sich haben.
Das muß so um die Zeit gewesen sein. Eine frühe Kindheitserinnerung, der Unfall damals in Schleswig-Holstein. Die nächtliche Rückfahrt im strömenden Regen, das Auto verbeult, die Achse, nun ja, dafür war ich zu klein. Wie ich wach wurde auf einem Rastplatz im Regen. Wie der Vater, nachdem die Scheinwerfer ausgefallen waren, die Sicherungen unter dem Armaturenbrett hervorgepuhlt hatte und mit wasserfeuchten Fingern mit Alufolie umwickelte. Damals habe er ja auch noch geraucht, sagt er. Da hatte man immer Silberpapier dabei.
Heute ist das nicht mehr möglich, beschließen wir. Es gibt nun überall Security.
Es gab kein Brot. Da mußte ich Kuchen essen.
„Hier wird auf dem Rücken der Kultur eine Diskussion geführt, die in die Energiedebatte gehört“, sagt die Atomstromfrau. Ja genau da gehört IHR hin, in die Energiedebatte, und nicht in die Kultur, ihr Salonkulturisten!
Warum kapiert das keiner: Wenn große Konzerne Geld übrig haben, um Kultur zu finanzieren, haben sie auch Geld übrig, um mehr Steuern zu bezahlen. Von diesen Steuern machen wir dann Kultur. So bleibt jeder in seiner Debatte.
Die Bilder sind schön.
Die Doku habe ich auch gesehn. Auf eine Art ging es mir wie Herrn Kid Senior, natürlich ohne diese Party auf der Jacht von Sachs und Bardot. Auch das ist ein starkes Stück. Da weiss man ja jetz, wo's herkommt.
Das war ein schmucker Mann. Und immer braungebrannt. Wahrscheinlich hat man ihn deshalb an Bord gelotst. Ich fühl mich ja auch auf dem Wasser wohl.
Frau Maphisti, die haben die Lesetage damals mit der HEW quasi "übernommen". Leider aber eben auch als offensiv genutzten Werbeträger. Daß man jetzt versucht, konkurrierende Lesetage mit üblen Methoden zu diffamieren, ist natürlich entlarvend. Ein schwaches, oder wenn man will: starkes, Stück.
Vattenfall hat nicht geantwortet.
Die Kuratorin der Atomstromlesetage soll Zeitungsberichten zufolge eine Unterlassungerklärung unterschrieben haben. Ob diese auch an ihren Mann, den Hamburg-Feuilleton-Betreiber, erging, ist mir nicht bekannt.