Konterrevolutionäre Rührung



Für mich ist ja jeder Tag wie ein Abenteuer Experiment. Auch wenn ich die tausend Möglichkeiten manchmal erst hinterher sehe. Aber Zeit und ihr Gefüge verhalten sich vielleicht nicht nur nach den Regeln, wie wir sie kennen. (Schlag nach bei Fox Mulder). Neulich erst fand ich mich in meiner Versuchsküche ein, um einen quirligen Tag zu beginnen und nebenbei den Lauf der europäischen Geschichte zu verändern, würde der Zeitstrahl einmal umgekehrt verlaufen.

Aber von Anfang an. Der Schlüssel zum Herzen eines Mannes ist ja in aller Regel ein guter Kuchen. (Schlag nach bei Dale Cooper.) Allerdings ist meiner Erfahrung nach das Talent zum lockeren Backwerk bei Frauen ähnlich vom Aussterben bedroht wie auf der Welt nur der Chinesische Flußdelphin. Als ich also am Wochenende früh und wie noch schicksalslos erwachte, erinnerte ich die alte Handwerkerregel: Willst du es richtig gemacht haben, mach es selbst. Meine noch jungfräuliche Margrethe winselte sowieso schon lange Füll mich! Rühr mich!, den Vorratsschränken entlockte ich durch langes Suchen und orphische Gesänge ein ganzes Zutatenpotpourri, das ich nach und nach 400-Watt-verstärkt zusammenmengte. Leider hatte ich nur dunkles Vollkornmehl im Haus, aber nun mag man mich schimpfen wie man will, an Experimentierfreude mangelt es mir trotzdem nicht. Egal, heut' ist Sonntag, dachte ich, mixte also unbeirrt das dunkle Mehl im Takt meiner Küchenradiomusik.

Mit dem ins Auge geklemmten Fadenzähler beobachtete ich den Fortgang und konnte eine Stunde später sagen, heureka*, mir ist da was im Ofen gewachsen! Ein bißchen viel des wildgemischten Teigs vielleicht, so ungegürtelt wie die Masse anschließend auseinanderging. Andererseits zeigt es wieder nur, wie richtig die altbekannte Weisheit ist: Man soll große Taten nicht in kleine Formen pressen.

Der Kuchen schmeckt tatsächlich ganz gut. Also "gut" wie, gut, ein wenig nach Vollkornbrot vielleicht. Nicht wie in "einen Kirschkuchen haben die da - sagenhaft!" (Schlag nach bei Dale Cooper). Ich nenne es mein Marie-Antoinette-Rezept. Kuchen essen und dennoch Brot dabei empfinden. Die Revolution, schreibt es in eure Geschichtsbücher, wäre also gar nicht nötig gewesen.

* Das ist Griechisch und heißt: "Da fliegt uns gleich was mächtig um die Ohren".

Homestory | 11:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
hora sexta - Freitag, 2. März 2012, 12:08
Sie haben mir einen Geburtstagskuchen gebacken? Ich bin sehr gerührt.

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kid37 - Freitag, 2. März 2012, 13:49
Oh. Herzlichen Glückwunsch! Sie kriegen natürlich was ab.

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hora sexta - Freitag, 2. März 2012, 15:12
*mampf* #krümel#
Lecker! Danke!

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kaltmamsell - Freitag, 2. März 2012, 16:11
Das sieht schon mal sehr solide aus. (Merken Sie, dass auch ein Tonfall Schürze tragen kann?)
Der Brotigkeit des Vollkorns kann eventuell eine Schokolierung jedes einzelnen Stücks entgegenwirken. Aus Resten (welche Reste?) könnten sogar Cake Pops werden http://kuechenzaubereien.blogspot.com/2010/05/cake-pops.html

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kid37 - Samstag, 3. März 2012, 21:14
Nicht wahr? Ausbaufähig. Aber danke, daß Sie mich nicht gleich verlacht haben. Wieviele sensible Bäcker sind schon unbeschürzt vom Ofen vertrieben worden! Für immer.

Diese Kuchenlutscher sind ja auch apart. Da kann ich mir gleich neue Ziele setzen.

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ana - Freitag, 2. März 2012, 17:53
Der Eintrag hat mich sofort daran gemahnt, dass ich meine neue Backform noch gar nicht eingeweiht habe. Es wird Zeit, dass die mal befüllt wird und nicht nur Platz wegnimmt. Also heute wird für das Wochenende sicher bei mir noch gebacken. Ich schwanke nur, ob ich die Zutaten für eine Schokoladentarte oder einen Käsekuchen kaufen soll. Aber Ihrer Käseliebhaberei zu Liebe sollte ich mich zum Dank für die Anregung eigentlich für den Käsekuchen entscheiden. Das Geheimrezept ist noch von meiner Mutter, also aus der Zeit als Frauen noch backen konnten.

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kid37 - Samstag, 3. März 2012, 21:16
Für mich gibt es ja nur zwei Arten von Kuchen: Marmorkuchen und der Käsekuchen meiner Mutter. (Notiz an mich selber: Mir unbedingt das Rezept geben lassen.)

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vulkantanz - Freitag, 2. März 2012, 22:01
Haste Worte -
so ne Torte!
So ein Kuchen -
den musst du versuchen!

(Familienlyrik)

So eine Rührschüssel nenne ich auch mein eigen. Wusste gar nicht, daß ich da einen Designklassiker im Schrank habe. Wieder was gelernt.
(Die Revolution war trotzdem nötig. Aber das ist eine andere Geschichte.)

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kid37 - Samstag, 3. März 2012, 21:17
Die Revolution hatte sicher schon jemand anderes angerührt. Da hätte selbst eine Wienerin wie Marie-A. nichts bremsen können, auch wenn sie, eine Rührschüssel ins Dekolletée gedrückt, auf dem Balkon gestanden und den Massen Brotkuchen versprochen hätte.

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jean stubenzweig - Sonntag, 4. März 2012, 16:57
Brioche
muß sie gemeint haben, meint die neuere Wissenschaft. Was Brot sei, das habe sie gar nicht wissen können, sagt sie, die Forschung.

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kid37 - Sonntag, 4. März 2012, 17:41
Als Ausländerin und Adelige war sie ja gleich doppelt nur mäßig integriert, was die Belange des gemeinen Volkes anging. Man hätte rechzeitig ein gutes bergisches Vollkornbrot vorbeibringen sollen.

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jean stubenzweig - Sonntag, 4. März 2012, 16:53
Ach, ist das (mal wieder) rührend schön (verfaßt). Ich beneide Sie.

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kid37 - Sonntag, 4. März 2012, 17:42
Und ich habe sogar die Süße reduziert.

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mimi.das.monster - Montag, 5. März 2012, 15:47
siieht sehr guut aus :))

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kid37 - Montag, 5. März 2012, 23:06
Man könnte ihn noch ein wenig zurechtschnitzen.

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