Schöner Ruhen
Seit Jahren hatte ich um das Bauwerk gebangt, zu lange war dort nichts getan worden, nun drohte der Verfall. Oft dachte ich, das sei doch eine ideale Wohnstätte, oben der Ort für eine Galerie, ein Bett und eine Bibliothek, unten dann ein Partyzimmer Wohnraum, die Küche, selbst Platz, um seine Weinflaschen kühl zu lagern, ist genügend vorhanden. Zudem ist das Gebäude verkehrsgünstig gelegen, der Bus hält genau gegenüber, und abends ist es dort fast erschreckend ruhig.
Mehrere dieser Mausoleen stehen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, und mittlerweile haben alle Paten gefunden, die dort die Sanierung übernehmen und die Grabstätten später für sich selber nutzen können. Während des traditionellen Osterspaziergangs nun traf ich einen der neuen Besitzer. Der freundliche Herr saß in der Nachmittagssonne, bat auf ein Foto oder zwei in die gute Stube nebenan und gab sich auch sonst sehr auskunftsfreudig. Während also andere im Kleingarten sitzen, genießen diese Menschen ("Wir sind mit unseren Nachbarn hier befreundet") den Sommer vorm Totenbalkon und richten auch die ein oder andere Feier dort aus: "Wie ein italienisches Fest", hieß es. Partyzelte, lange Tische, guter Wein. Denn wer später eine chic möblierte letzte Ruhe finden will, sollte ruhig vorher schon gut leben. Es wird keinen wundern - elektrisiert lud ich mich spontan dazu, denn Gartenfeste, Lampions und Sepulchralkultur sind mir sozusagen ein natürlicher Lebensraum. Kunst fehlt vielleicht, eine melancholische Lesung oder (Eros! Thanatos!) ein tableau vivant mit entzückenden Damen, die in stiller Andacht und nur mit ihrem langen Haar bekleidet, etwas von Mary Wigman tanzen, vielleicht maskiert, um das Geheimnis zu wahren. Ich hätte da schon ein paar Ideen, einen dunklen Anzug und auch die angemessene Blässe.
Wie sind denn da die Größenverhältnisse? Und das da unten, sind das, äh, diese Schubfächer?
Diese große da hat angeblich 200 m², kommt mir aber kleiner vor. Ein Tubaorchester hat dort jedenfalls Platz. Die Weinregale Schubfächer sind genau die, mittlerweile fehlen aber ein paar Platten. Ich hatte das vor einigen Jahren schon mal fotografiert, da standen auch noch die Kränze. Die Nutzungsmöglichkeiten liegen natürlich innerhalb sogenannter "gewisser" Grenzen, aber die lassen sich sicher pietätvoll ausloten. Warum dort nicht einen ernsten Abend mit klassischer Musik, Brot, Wein und guten, besinnungsfreudigen Freunden abhalten? Ich hoffe, die rufen zurück.
also ich finde so etwas ja auch ganz großartig. so ein sarg unter der erde in einem kleinen grab oder eine urne - nichts für menschen mit beklemmungen ;-)
Es sind natürlich Repräsentationsbauten, andererseits zeigen die Mausoleen in südlichen Ländern, daß man so etwas auch durchaus erschwinglich bauen kann. (Zur Fertighausproduktion im "Landhaus-Stil" habe ich mich ja
hier einmal geäußert.) Glücklicherweise sind die meisten Friedhofsordnungen nicht mehr ganz so streng, so daß man vielfältige Bestattungsnöglichkeiten hat.
Totenbalkon ist ein arg schönes Wort.
Da waren wir aber nicht drin oder? Ich glaube mich zu erinnern, dass man irgendwie durch eine Scheibe gucken konnte oder so.
(Ich weiß, dass mein ikonenhaftes déjà vu auch noch von woanders her kommen könnte.
Glaube ich aber nicht.)
Wir waren da nicht drin, haben uns aber die Nasen an dem Spalt in der Tür plattgedrückt, durch den man ins Innere schauen konnte. Und ich glaube, ich habe damals bereits darüber schwadroniert, mir oben eine Galerie mit Bibliothek einzurichten.
Ja, man sollte einen Maskenball veranstalten; betörende junge Frauen, die einen tanzend umschmeicheln, bevor sie sich wieder den schmucken Draufgängern zuwenden. Walzer oder besser noch das
„Ballet de la nuit“, jemand müsste für ein dezentes Maß an Intrigen Sorge tragen und einen richtigen Schurken, der in einer der dunklen Nischen sein übles Spiel treibt. Vielleicht noch einen glühäugigen Helden und einen Spaßmacher, dem niemand zuhört. Sie, Herr Kid, müssten freundlich und um das Wohl der Gäste besorgt, von Gruppe zu Gruppe gehen, jedermann einen Gruß, ein freundliches Wort, ein nie gehörtes Bonmot zuwerfen und von Zeit zu Zeit sich in der Sarabande versuchen.
Vorher müsste man natürlich Fegen.
Haha. Sie entwerfen da ein hübsches Bild, haben aber eine verklärte Vorstellung von meinen Fähigkeiten als Gastgeber ;-) Ich bin dann lieber der Spaßmacher, dem niemand zuhört. Aber so ein Maskenball bietet natürlich auch die Möglichkeit, sich einmal ganz anders als gewohnt zu verhalten. Wer weiß, vielleicht fülle ich dann doch alle mit Fusel ab und fummel an ihnen herum gehe ich dann doch mit einem Tablett herum und reiche schönes Landbrot zum Wein.
Frau Anobella noch einladen - die macht Lesungen. In Burka oder ganz ohne. Immer auf Zuruf!
Ich lese dann jedenfalls nur meine ganzen Runterzieher, dem Ort angemessen. Wenn Frau Anobella da melancholisch einstimmen möchte - ich werde das bei den Leuten dort zur Sprache bringen. Die letzte Hülle bleibt aber.
prost
*kling*
Schön, daß Sie um '37 gratuliert haben. Sehr aufmerksam.
... 2000 Light Years Away.
Kommen's ruhig alle rein. Hier ist eine offene Tür.