Du bist nicht allein

Als altmodischer Mensch besitze ich keinen MP3-Player. Ich habe schon öfter einen dieser rundgelutschten Stifte in der Hand gehalten, hin- und herüberlegt, aber die Sache dann doch als zu teuer verworfen. Ich besitze aber einen alten Walkman, einen mit Radio und der Möglichkeit aufzunehmen, und den habe ich mir heute umgeschnallt. Premium Content war eine alte Mix-Kassette und mir fiel wieder auf, daß wo andere Menschen Jeanette Kübelböck und Britney Aguillera hören, mein Guter-Laune-Mix über Smashing Pumpkins und New Order nicht hinauskommt. Der Rest liegt stimmungsmäßig weit darunter.

Überrascht war ich daher von einem echten ditty, einem Jahre alten peinlichen Lieblingssong, der mir aus den Ohrstöpseln entgegenblecherte. Die Rede ist von Olive, "You're Not Alone". Dieser kleine abgefeimte Tanzhallenschlager nutzt geschickt alle Kniffe, die es für eine ehrsame Discoschnulze braucht. Hypnotische Drums, Wehmut, künstliche Geigen, harmonische Mollakkorde - und ein paar widerhakenbewehrte Textpassagen, die die richtigen Sehnsuchtsknöpfe der Scheidungskindergeneration drücken. "It is the distance/That makes life a little hard/Two minds that once were close/Now so many miles apart" - zu solchen Zeilen läßt es sich wunderbar auf dem plüschtierverwucherten Bett im Kinderzimmer ein wenig traurig vor sich hin pubertieren. Ich stelle mir einsame Gestalten im Licht der örtlichen Techno-Rave-Tanzdiele vor und schüchtern vorgetragene Sätze wie, willste noch 'ne Coca?

"You're not alone, I'll wait till the end of time for you."

Ich habe auch einmal lange gewartet. Und mir fällt auf, daß so etwas auch wie eine Drohung klingen kann. "Das ist ja auch nicht normal", mußte ich mir sagen lassen. Von jemanden, der selbst nicht lange fackelte. Aber eben auch schlecht allein sein konnte. Das zu allerletzt.

"I will not falter though/I'll hold on till you're home/
Safely back where you belong/And see how our love has grown."

Homestory | 02:08h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kerstin13 - Freitag, 30. Juli 2004, 12:49
trost oder drohung?
everybody wants somebody sometimes...

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kid37 - Freitag, 30. Juli 2004, 13:03
In dem Lied ist es als Trost gemeint, sicher. Es klingt ungeheuer romantisch. Aber als ich es schrieb, fiel mir auf, daß es auch eine Drohung sein kann. Eine Belastung zumindestens. Oder etwas Lästiges. Ist das nicht auch eine ungeheure Verantwortung, wenn jemand sagt, er warte bis ans Ende aller Zeiten auf einen? Will man das überhaupt?

Wenn doch jemand schon geht, will er das nun bestimmt nicht. Oder sie.

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kerstin13 - Freitag, 30. Juli 2004, 13:35
vielleicht sollte man die verantwortung einfach nicht übernehmen, im sinne von "bei der/m anderen lassen". fühlt sich dann nicht mehr so bedrohlich an, finde ich. als ich den text las, klang es für mich ungeheuer romantisch. weil das zitat tröstend klang!? nichtsdestotrotz kenne ich das gefühl gut, dass das angst macht, wenn da jemand wartet.

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Lu - Freitag, 30. Juli 2004, 13:58
die frage der fragen ist und bleibt :
WARUM macht etwas angst, was eigentlich scchön sein soll ?
(uäh, ich hab den kuchen angeschnitten, ich habe den bösen kuchen ange--- )

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yvonnesonne - Freitag, 30. Juli 2004, 14:26
vielleicht weil manche menschen es nicht ertragen können, geliebt zu werden. ich kenne das von mir. also ich kannte liebe nicht, dieses urvertrauen fehlte. dann kam wer (s.) und hat mich so geliebt, wie ich war, mit allem drumherum, einfach mich als ganzes. meine fehler vielleicht am meisten. und ich bin in absolute panik verfallen, weil es mir so unglaublich erschienen war. ich suchte den fehler. da musste ein fehler sein, das war einfach nicht möglich.

mann und frau muss liebe auch annehmen können. sie WOLLEN. ein alleingelassenes kind wird auch irgendwann erwachsen und sucht sich dann menschen, die das gleiche spiel spielen, wie die nichtvorhanden gewesenen eltern. ich machte das durch einen freund, dem gras wichtiger gewesen ist als ich. es ist verflixt. es macht unglücklich. immer schlimmer.

ausweg? ich warte auf vorschläge ;) nein, ich denke erstmal sich bewusst werden und beginnen sich selbst zu lieben. darüber dann den menschen begegnen. vielleicht.

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kid37 - Freitag, 30. Juli 2004, 22:22
Also ich jedenfalls trage niemandem mehr etwas hinterher. Sag' ich jetzt mal so.

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ariel - Samstag, 31. Juli 2004, 01:03
belastung hin oder her, esisnumalso.alle warten für immer auf jemanden.
ist vielleicht auch eher nicht als "ich verzehr mich für ewig und 3 tage nach dir und bis du nicht kommst, geht es mir dreckig" sondern eher als "wann immer du willst oder kannst oder brauchst, ich bin da." gemeint.und das ist dann doch schon sehr tröstend.

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sweetmaker - Samstag, 31. Juli 2004, 01:09
es ist immer ein geben und nehmen. und sich aufeinander einlassen. eine gewisse art der abhängigkeit -ohne diese ist nähe und intimät gar nicht möglich. darin liegt auch das risiko und daher kommt die angst.
wenn sich jemand hals über kopf in sie hineinstürzt, sich von ihnen total abhängig macht (zb. ihr s. -frau sonne) so ist es verständlich, dass die tatsache für sein glück verantwortlich zu sein, sie enorm unter druck setzt.

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kid37 - Samstag, 31. Juli 2004, 01:14
@ ariel: Sie haben recht. Ich vergesse das immer, aber es gibt ja noch Menschen, die in sich ruhen. Und Liebe nicht als Kompensationsversprechen für eigene Defizite verstehen.

@sweetmaker: Das vergessen eben viele. Daß man nicht verantwortlich ist. "Watching forever - watching love grow." (New Order, "Ceremony")

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sweetmaker - Samstag, 31. Juli 2004, 01:29
doch. man istwird verantwortlich füreinander. dass kann aber nur funktionieren, wenn sich-fallen-lassen und auffangen ausgeglichen sind.
& die schleife zu ariel schliesst sich

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kid37 - Samstag, 31. Juli 2004, 02:49
Ich rede natürlich gerade im Geiste mit jemand anderem, Entschuldigung. Finstere Projektion.

Ich glaube dennoch, für sein Glück ist man schon selbst verantwortlich. Man kann es dann gerne teilen. Wer aber meint, der andere hat auch Glück für zwei im Gepäck, der irrt. Aber ich bin auch etwas, nun ja, desillusioniert. (Man merkt es mir doch hoffentlich nicht etwa an???)

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sweetmaker - Samstag, 31. Juli 2004, 15:44
also wenn sie es so formulieren...letztendlich ist man für sein glück selbst verantwortlich, ja.
desillusionierung gehört zum erwachsenwerden dazu, auch wenn sich so viele heutzutage dagegen wehren. man sollte sich nur nicht den innersten kindlich-naiven optimismus zerstören lassen.
...und sie machen dass sehr stilvoll herr kid.

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leteil - Samstag, 31. Juli 2004, 02:05
Texte wie dieser gehören zu den Gründen, überhaupt Weblogs zu lesen (dachte ich beim Lesen).
Ist das eigentlich alles erfunden? Egal, das will ich überhaupt nicht wisssen!
Einen mickrigen USB-Stick würde ich nicht empfehlen, wenn schon dann mit Festplatte. (Ich möchte besonders eine Cassette wiederhören, die mit dem Festival des Politischen Liedes der FDJ, mit Billy Bragg und irgendeiner Gruppe, die "Santa Caterina" singt, und den hochnotpeinlichen bots.

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kid37 - Samstag, 31. Juli 2004, 02:43
Nanu, wollten Sie nicht in die Disco? Oder war heute nur Tanztee?

Hier ist natürlich nichts erfunden. Ich habe viel zu wenig Phantasie, um etwas zu erfinden. Zum Glück ziehe ich genügend Verrückte an und erlebe dann was. Und die schönsten Sätze merke ich mir dann und baue sie hier ein, auf daß sie unsterblich werden. So geht Webloggen ;-)

So DDR-Liedgut habe ich auch einiges. "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht" und FDJ-Klassiker. Ich war ja mal der Liebe wegen Zonenforscher. Dazu Billy Bragg, das paßt. Diese andere Gruppe haben Sie hoffentlich gelöscht, so was kommt mir hier nicht ins Haus. Und der erste, der über so einen Referrer hier hereinkommt, wird erschossen. Knallhart.

Ich werde mich gelegentlich noch durch meine alten Kassetten arbeiten. Mal sehen, welche Trouvaillien da noch zu Tage kommen.

Kennt eigentlich irgendjemand diesen Song von Olive? Oder reden hier alle nur theoretisch und nach Textlage?

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kerstin13 - Samstag, 31. Juli 2004, 05:33
spannendes thema, hat mich durch den tag begleitet. angst oder desillusionen, gespeist aus lebenserfahrung, im zusammenhang mit liebe - das ist schon ein wenig tragisch!? verrückt, dass es da immer noch die hoffnung gibt, eine sehnsucht auf erfüllte liebe, ein zuhause. nicht totzukriegen gottseidank.

"i want two dogs, two cats, a big kitchen and a welcome mat" (patrick wolf)

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monolog - Samstag, 31. Juli 2004, 16:09
Türlich. Was denken Sie denn? ;)
Spätestens das unsägliche, weil bis auf die schlechtere Stimme und ein klein wenig schnelleren Beat gleich klingende Remake müsste das Lied aber bekannt gemacht haben, das war grad eben erst vor ein paar Monaten.

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leteil - Sonntag, 1. August 2004, 00:40
tatsächlich - ich kenne nur das jüngere Teil von ATB

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kid37 - Sonntag, 1. August 2004, 00:43
Das taugt nicht. Das Original ist schon zweifelhaft genug, aber wenigstens bei Stimme. Ein simples Liedchen halt.

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