Festhinher




Wenn man erst an Heiligabend fährt, sind die Züge nicht sehr voll. Man hat Platz, für sich, den Mantel, drei Geschenke oder mehr und Thomas Bernhard. Sobald im hinteren Teil des Wagens der kleine Linus und sein Bruder, der doofe Paul, Sitzplatz-, Besitzstands- und wohl auch Fragen der Erbfolge geklärt haben, finde auch ich Muße für Lektüre, betrachte die Monotonie der norddeutschen Landschaft, die verschiedenen Töne von Grün und Grün und Grau und höre mir an, wie der Zugchef über die Sprechanlage die Menüs verkündet, die "Spitzenkoch Helmut Sowieso" just in der Bordgastronomie in Wagen 35 bereitet hat.

In Dortmund großes Umsteigen. Die Frauen tragen jetzt lustige Hüte, denn eigentlich sind sie hier alle verzauberte Feen, Menschen aus dem Ruhrgebiet wissen das. Weiter Bernhard gelesen. Danach deprimiert. Die Natur bringe unaufhörlich alle möglichen Verbrechen, darunter die Menschenverbrechen, hervor, die Natur sei von Natur aus verbrecherisch. Ein starkes Stück.

Schräg gegenüber schreckt ein schönes junges Mädchen aus dem Schlaf, mit großen Augen starrt sie unter einer verstrubbelten blonden Mähne hervor in die Ferne, noch halb im Traum wohl, hält ihren Mantel wie eine Decke über sich und mümmelt an einer Stulle. Ich versuche, interessant auszusehen. Das Mädchen ignoriert mich. Wenn Bernhard mich nicht schon deprimiert hätte - ich dächte über die Natur des Alterns nach.

Die Landschaft wird hügeliger, abwechslungsreicher, da kommt die Mühle an der Grenze des Sauerlands, Hever oder Hemer oder irgendwo dort muß das sein. Das Tal, das schmutzige, graue, spröde. Eine Stadt, die manchen nicht hip genug ist. So wenig lohnenswert. Sie ist trotzdem und immer noch und immer wieder meine.

(Später dann, zurück im Norden, Grünkohl. Das muß man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn Spitzenköche im hermetischen Café ein Menü daschauherzaubern. Wir bleiben auf dem Teppich. In meiner Jackentasche finde ich ein gekräuseltes Geschenkband. Die Reste vom Fest.)

Ausfallschritt | 16:04h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kristof - Montag, 29. Dezember 2008, 17:17
Grünkohl! Kreisch! Lecker! Da fällt mir brühheiss ein, dass ich dieses Jahr noch keinen Grünkohl gegessen habe. Was mach ich bloß!

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kid37 - Montag, 29. Dezember 2008, 18:22
Das darf man sich doch nicht entgehen lassen. Zwei Tage haben Sie ja noch.

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kristof - Montag, 29. Dezember 2008, 18:40
Hurtig ...
Grad noch...

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kid37 - Dienstag, 30. Dezember 2008, 00:16
Und wären sich alle fragten, ja, wo laufen sie denn? und kaum noch einer damit rechnete - erreichte Herr Kristof kurz vor knapp und fast aus dem Nichts heraus die Ziellinie. Guten Appetit!

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kristof - Dienstag, 30. Dezember 2008, 08:30
Entschlossenheit zählt!

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cabman - Montag, 29. Dezember 2008, 18:24
Über diese Natur denke ich dieser Tage auch viel nach.
Gestern war ich da:




und dachte an Sie.


At your command, Capt´n Kid.
And ready when you are.
Im here.
All the time.

Einfach eine Depesche losschicken.

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kid37 - Montag, 29. Dezember 2008, 18:27
Ah, prima. Da sind ja alle Segel gesetzt. Sobald ich wieder auf der Brücke bin (grad spüre ich sowas ähnliches wie 125 Jahre Kap Horn in meinen Knochen).

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cabman - Montag, 29. Dezember 2008, 18:28
Na dann: Gute Besserung! Besser eher als später. Ich drück Ihnen was;-)

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gaga - Montag, 29. Dezember 2008, 19:27
Irgendwie gemütlich. Trotz Menschenverbrechen!

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kid37 - Dienstag, 30. Dezember 2008, 00:14
Es waren ja zum Glück nur wenige in den Zügen. Da atmete fast nur der Text von Bernhard.

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anousch o. - Montag, 29. Dezember 2008, 21:50
Es geht nichts über Hausmannskost. Der Grünkohl erinnert mich daran, dass ich diese Saison noch gar keinen Wirsing gegessen habe - und wenn, dann mit ganz ganz viel Butter! Dazu Kurzgebratenes. Das perfekte Aufwärm-Dinner, wenn man durchgefroren von einem Spaziergang am Meer kommt.

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kid37 - Dienstag, 30. Dezember 2008, 00:13
Wirsing wäre auch mal lecker, den habe ich schon seit Jahren nicht... Das sind die Gerichte, die wie Heizkörper im Bauch liegen. Njam.

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modeste - Montag, 29. Dezember 2008, 22:45
Ich kann den Grünkohl riechen. Ich habe im Studium öfter Grünkohl mitgegessen, in Westfalen gibt es das viel. Fett, mit gebratenen Kartoffeln und "Brägenwürsten", geräuchterten, groben Mettwürsten. Geschmack nach einer Wohnheimküche, nach Sonntagabend, wenn Freunde vom Wochenende zuhause zurückgekommen sind, Töpfe mit mütterlichem Proviant im Kofferraum.

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kid37 - Dienstag, 30. Dezember 2008, 00:12
Genau, die Mettwürste! Die gab es bei uns im Bergischen auch. Hier entfachte sich über dem Essen nämlich eine Diskussion über den korrekten "Pinkel" und dessen geografische Verbreitung. Mein kulinarisches Hintergrundwissen ist ja bekanntlich nur sehr rudimentär entwickelt, auch wenn ich in letzter Zeit aus meiner Küche kaum noch herauszubekommen bin.

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frl.deville - Dienstag, 30. Dezember 2008, 00:36
Und damit kommen Sie jetzt.
Hätte ich das heute früh schon gesehen.
Hätte ich genau gewusst, was ich im AEZ kaufen soll.
Einen Federtuff.
Sie erleben Sachen.
Toll.

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sunny5 - Mittwoch, 31. Dezember 2008, 01:37
was für ein wunderschöner kopfschmuck. ihnen zu ehren werde ich etwas wunderschönes an neujahr tragen und deshalb und nochmal und sowieso - danke! und frohes neues jahr!

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