Überkochende REM-Phase
Als ich heute im Wolford-Shop stand (fragt bitte nicht!), erinnerte ich mich daran, wie ich neulich das Ciabatta-Brot in den Ofen schob (Sublimation!) und zugleich Ente con Pasta zubereitete und dachte - jetzt mußt du aber aufpassen: Essen, der Sex des Alters!
Warte, nur warte. Bald bist du einer von ihnen, Kid. Stehst barfuß in deiner Küche, machst "Uh!" und "Ah!" und trommelst dir einen Naked Chef vor die behaarte Brust. Dann ist es nicht mehr weit, und die schönsten Wochenmärkte werden diskutiert, du wirst gewichtige und nach Gewürz duftende Sätze bilden, die mit "der beste Italiener" oder "mein Lieblings-Indonesier" beginnen. Du wirst exotische Früchtchen in der Auslage kritisch bepokeln, dir gigantische (Übersprungshandlung!) Pfeffermühlen kaufen und jedem erklären, der es hören will oder nicht, daß man Knobl Aioli nur zwischen Vollmond und Streicherklängen hauchzart und cremig gerührt bekommt, in einem Tiegel aus Büffelhorn womöglich. Ich werde als Genußmensch enden, plauzig Bauch und Kopf schütteln über andere Menschen, die am schnellen Grill sich
[aufgew., auf den Schreck erstmal eine Käsestulle geschmiert]
die pfeffermühlen sind natürlich bitter.
der
cayenne des kochs.
Manche haben da gleich eine ganze Armada im Gewürzmühlen-Port.
(Habe ich eigentlich erzählt, daß ich mal in einer Gewürzfabrik gejobbt habe? Herrje, was einem plötzlich alles wieder einfällt.)
habe ich eigentlich erzählt, daß ich mal in einer fleischfabrik gejobbt habe? herrje, an was sie einen plötzlich wieder erinnern!
schönen dank auch.
(und das ist weit entfernt von taxidermieästhetik, das steht nicht zur verhandlung. nein.)
Was wollten Sie DA denn?!
Grämen Sie sich nicht. Frauen mögen das ja.
Fachmännisch umsorgt werden, meine ich.
Unser Jüngster (20) hatte vor ein paar Wochen eine Lebenspremiere: zum erstenmal gekocht, so richtig, nicht nur Packung aufreißen oder Dose öffnen, sondern alles frisch, mit Kräutern, viel Chili und so. Für seinen Damenbesuch und sich. Der Besuch hat das ungeschickterweise Freundinnen erzählt. Nun stöhnt er, der Junior. Ständig stehn die Mädels auf der Matte, kochen muß er nun andauernd. Das ginge ja noch, meinte er, aber die blieben alle über Nacht.
fürwahr ein schlimmer fluch der guten tat.
wenn man das mal damals gewusst hätte, da hätte man schon früher das breite bett benötigt.
Und das mit dem ew'gen Bunde wird er sich vermutlich heftig überlegen. Sein Bruder (24), der eigentliche Genießer unter den Jungen und darüber hinaus innigbrü(n)stiger Baßbariton der Hymne Fleisch ist mein Gemüse und seit etwa einem Jahr deshalb wohl Papa von Emilchen (weiblich), muß frühmorgens, bevor er zur Arbeit trabt, Gemüse putzen und Äpfel schälen. Es befinden sich in diesem Haushalt nämlich noch zwei Töchter plus deren Mutter, und die futtern allesamt den ganzen Tag statt Chips und Lollies Möhrchen, Gürkchen, Äpfelchen et cetera. Und abends gibt's dann gedünsteten Chicorée. Oder so.
Der arme Junge! Das ist ja wie ein versehentlich eingeworfener schlechter Trip, von dem man nicht mehr runter kommt. Vielleicht rettet ihn diese
Selbsthilfeseite.
Nichtmal der virtuelle Genuß ist ihm vergönnt. Computern ist ebenfalls nicht eben gern gesehen. Es gibt zwar ein solch Gerät, aber das dient in erster Linie als Projektionsfläche für Kinderbilder und die von Häusern. Sie bauen nämlich jetzt eins, in bester Hamburg-Randlage. Na ja, da kommt wenigstens ab und an ein Bier ins Haus. Und wenn er Glück hat, unser Hamburger, fällt bei den Bauarbeitern vielleicht auch mal ein solcher ab. Die lassen sich das alles nämlich nicht verbieten. Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis er anfängt. ein Buch zu schreiben.
mit diesem Kommentar sprichwörtlichen Pfeffer nach Cayenne zu tragen: Ich wünschte ja manchmal auch, ich würde aufwachen, wenn ich im Biomarkt meines Vertrauens stehe und mir ungläubig die Augen reibe wegen der offenkundigen Diskrepanz zwischen der geringen Warenmenge in meiner braunen Recyclingpapiertasche und der eklatant hohen Summe im Display der Kasse.
Wenn Essen der Sex des Alters ist, dann ist er bisweilen ein ganz schön kostspieliges Vergnügen.
Herr Grebe! Wie schön. Muß ich nachher mal laut hören.
Mark, man zahlt für das Vergnügen ja immer einen Preis. Geld, Nerven - umsonst ist auch kein Käsebrot.
Sex ist eine Ersatzbefriedigung.
na endlich!
("zusammen kochen" erhält da eine ganz neue dimension, und ob ich -wie gewohnt- auf ihrem küchenboden lümmelnd beim fisch wenden käsebrot schmieren zusehen darf, von zu hause aus, das werden wir dann auch noch sehen.)
((wir kochen ja viel.))
Oh, stimmt ja. Ich habe ja bereits Blogger bekocht. Herrje, so zerbröselt der Käsebrot-Mythos!
Frau Nuss, sonst bin ich natürlich Asket und küchen- (aber nicht kuchen-)widerspenstig. Selbst die berühmten Törtchen von Belem mußte man mir einst aufschwatzen. Dabei waren die kuschelig.
essen ist ja leider notwendig.
Es ist garnicht so schlimm, ich bin schon in jungen Jahren in die Szene gerutscht, man arrangiert sich und bekommt ja auch viel zurück, also auch über die Kalorien hinaus!
mir ist der vorgang des zubereitens lästig. deshalb hier oft haferflocken und obst. reicht. genuss ist rosinenbrot mit holundergelee.
Ach, Sie haben ja keine Ahnung: Wenn einen dann die nächtelang beaufsichtige Hühnersuppe mit großen, leuchtenden Augen anschaut - dann weiß man ganz tief drinnen, dass es all die Entbehrungen wert war.
Da werden jetzt wieder einige sagen, wie kann man essen, was einen anschaut... (doof, ich finde ich jetzt das Foto mit der Erdbeere, die Augen hat, nicht. BU: "What would a vegan do?" :-))
Ich verstehe das Brimborium nicht, dass manche ums Essen machen. Ein toller Mann könnte mir Pommes "kochen", ich wäre hin und weg. Bei Creme brulee wäre ich misstrauisch. Das (und vorneweg Scampis) ist ein Mädchen,-und-heute-Nacht –rolle-ich-Erdbeeren-über deine-alabastergleiche-Haut-Aufschneider-Menü. Krieg ich Gänsehaut, aber nicht vor Erregung. Aber vielleicht muss ich auch noch 10 Jahre älter werden, um das schätzen zu wissen. Jedenfalls, ein wenig bis mittel beeindrucken würde mich lediglich: köstlicher Grünkohl. Ente ist aber auch nicht schlecht.
Lecker essen macht Spaß. Macht mich glücklich. Mich alleine, aber oft genug auch gemeinsam mit anderen. Vorbereitung, Zubereitung, Verzehr. Egal ob Käsebrot oder Gänselebermousse. Das mag verstehen oder missdeuten, wer will.
(Eine Frau, die hinter der Zubereitung von Creme brulee bei mir Sexabsichten mit Neuneinhalbwochen-Klischeefantasien vermutet, würde ich allerdings vor die Tür setzen.)
Ich habe gerade überlegt, ob 9einhalb Wochen Pommes-rot-weiß nicht mal etwas ganz... Extravagantes wären. Verdächtig fände ich, wenn jemand beim Abendessen mehr mit seinem Creme-brulee-Brenner spielte als mit der Creme brulee. ;-)
Ehrlich gesagt, mir fehlt zu dem ganzen Thema tatsächlich die geschmacksnervliche Ausbildung. Und irritiert bin ich zudem, wenn Leute aus dem Essen zubereiten eine Kirche machen. Wo es dann wirklich nur der Peffer XY sein darf. Und die Knoblauchbutter nur von Kaufmann Z, der am anderen Ende der Stadt liegt. Da blitzt leicht auch so etwas wie Prahlsucht und Gehabe durch. Ich kenne ein paar Köche, die sind tatsächlich privat deutlich entspannter als die Amateure. (Ist ja in vielen Bereichen so, siehe Amateurfotografen usw.)
@giardino: Ist doch gut, wenns Sie (+ andere) glücklich macht und da gibts ja auch nix gegen zu sagen. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass mich andere Dinge glücklich(er) machen. Und manches misstrauisch. Nicht sooo ernst/wortwörtlich/diversa nehmen ;-)
wahrscheinlich wie mit hifi-highend-fetischisten:
die hören auch keine musik sondern geräte.
@iii: Keine Sorge. Ich hatte am Ende der Klammer nur den Smiley vergessen. Zwinker.
@ Crème brûlée: Das ist wahrscheinlich auch der Unterschied zwischen "erwarten" und "befürchten" ,-)
mein onkel, jahrelanger leidenschaftlicher trinker und leser philosophischer schwarten fügte dem satz über den sex des alters gerne hinzu: "die dummheit frisst und die intelligenz säuft!" vielleicht kann man kompensation intellektuell beeinflussen.
allerdings hat mein onkel inzwischen den geist versoffen und lebt trocken - und dabei durchaus den kochkünsten meiner tante sehr zugetan.
Ah. Mit anderen Worten: qed. Persönlich denke ich aber, der Satz ließe sich auch umkehren, je nachdem, was wo wann in die Flasche beziehungsweise auf den Tisch kommt. Wichtig sollte bei allen drei, öh, Themengebieten die Verfeinerung und Ausdifferenzierung sein, die im Laufe des Alters ja hoffentlich einsetzt. Billige Schnäpse kommen mir jedenfalls nicht mehr ins Haus.
(Brände aus dem Schutzhund-Fäßchen bei akuten Erfrierungsgefahren bleiben natürlich ausgenommen.)
(das wär ja auch aushäusig.)
(Da, wo der Appetit ist. Ich esse selbstverständlich immer zu Hause.)