Aus der Siechenstation

Eine grauenvolle Nacht, mein sterbender Schwan. Vollmond und Kranksein, da ist an Schlaf nicht zu denken. Und ich rede hier nicht von Bagatellerkrankungen wie, man ist mit dem Arm in eine kleine Häckselmaschine geraten. Oder hat soeben aus Versehen den Schraubenzieher an die Anschlüsse vom Starkstromkasten geschweißt und steht vibrierend in der Funkenstrecke. Auch nicht Sachen wie, bei der Reparatur des Buckelvolvos ist der Wagenheber abgerutscht und man hat sich drei bis acht Rippen gequetscht. So was kommt vor.

Nein, ich rede von der schlimmsten aller Erkrankungen, die sich ein Mann zuziehen kann: morbus influenza gravis, vulgo die SCHWERE ERKÄLTUNG!

Was sage ich, die sehr schwere Erkältung. Es beginnt mit diesen Reißzwecken, die plötzlich im Rachen stecken und wird nicht viel schlimmer und nimmt über Nacht einen aggravierenden Verlauf, ehe die Krankheit (die schon über Kriege und den Gedeih ganzer Königreiche entschieden hat) in ein langes Siechtum übergeht.

Als Alleinlebender ist es nun ja so, daß ich die Ballade vom sterbenden Mann nicht vor Publikum aufführen kann. Andererseits ist mir in solchen, schlaflosen zumeist, Nächten ganz gerne selbst nach ein wenig Ruhe. Gleich einem wilden Tier, das sich zum Sterben unter ein Gesträuch zurückgezogen hat, sondere ich mich in solchen Momenten instinktiv ein wenig ab von den Menschen. Man kann sich im Bett wälzen, von unmenschlichen Gliederschmerzen geplagt, oder mit der halbverstopften, halb dauertropfenden Nase militärische Trompetensignale einüben, ohne befürchten zu müssen, einen friedvoll schlummernden Partner zu wecken.

Schnoddrige Taschentücher lassen sich erstmal einfach vors Bett werfen, selbst die Nacht-Krawatte mag man ein wenig lockern oder bei schlimmsten Halsschmerzen ganz ablegen, ohne vor dem Partner eine etwa ungepflegt wirkende Seite offenbaren zu müssen. Umgekehrt hat man selbst seine Ruhe, muß sich nicht mit einer sandpapiertapezierten Kehle unterhalten und dabei diese krächzende Stimmlage aus der Anti-Raucherwerbung bemühen. Kurz vor Morgengrauen, wenn die Not bekanntlich am größten, will man vielleicht auch endlich ermattet alle Viere von sich strecken, moribund mit schwacher Stimme "Mama!" wimmern und sich kraftlosen Gedanken hingeben wie "Wenn nun die Zeit gekommen ist, dann will ich ruhig fahren." Ein Tropfen Japanöl auf die heiße Stirne, zwei Silbermünzen auf die Augen - dann mag der Fährmann halt kommen.

Da ich aber aus einer Familie kräftiger und zäher Eisenbieger stamme, ist es dann nach einer solchen Nacht in Schnupfengewittern meist überstanden. Die Lebensgeister kehren zurück, und ich kann am sozialen Leben wieder teilnehmen. Nur das Ventil in der Nase, das bekomme ich erstmal nicht mehr zu. Ächz.

Homestory | 14:42h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
Lu - Freitag, 2. Juli 2004, 15:08
mir kommen die tränen ! ;-)))
falls du überlebst : glückwunsch.

ansonsten viel vitamin C, ein comic in der wanne und schlafen bis die nurse kommt.
gehab dich wohl.

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outrage - Freitag, 2. Juli 2004, 15:24
Mein Mitleid...
für MännerMenschen, die ihre Wehwechen so zelebrieren, hält sich in Grenzen ;-)

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kid37 - Freitag, 2. Juli 2004, 17:08
Recht so, Herr Outrage, wehleidige Hypochonder fallen mir auch schwer auf die Nerven.

Ich habe mir gerade eine Kochsalzlösung mit 500 g Vitamin C verabreicht, das sollte reichen. Gleich noch eine heiße Banane und ein saures Brot, und ich bin gesund wenn die Nurse kommt. (BTW: Die sieht ja hoffentlich so scharf aus wie die Chilischoten, die ich gerade lutsche, um mich innerlich zu desinfizieren.)

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semmel - Freitag, 2. Juli 2004, 20:49
Bitte vergessen Sie die in kaltem Wasser getränkten Wollsocken nicht, die Sie beim zu Bette gehen tragen sollten. Sonst wird das nix mit der schnellen Genesung.

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maz - Freitag, 2. Juli 2004, 21:01
Du wirst überleben, denke ich...
Ansonsten möchte ich dich mit Hagebuttentee nerven. Damit führst Du neben Vitamin C viel Flüssigkeit in deinen Körper.
Werde gesund.

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ella - Samstag, 3. Juli 2004, 01:14
Eine Freundin pflegte ja immer ein heißes Bad und währenddessen nen warmes Bier zu trinken ... aber dann brauchen se in der Regel jemand, der ihnen wieder aus der Wanne hilft ... tja, verdammtes Single-Dasein ...
Dennoch gute Besserung! ;-)

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kopfherz - Samstag, 3. Juli 2004, 02:09
kopf hoch ...
... dann läuft die nase besser!

nein, im ernst: ich wünsche Ihnen gute besserung. scheint was scheußliches rumzugehen grad.

bis auf die nass-kalten socken zum schlafengehen find ich die vorschläge zur genesungs-vorantreibung ja gut. aber das mit den socken, dass sollten Sie vielleicht doch auslassen. ich fürchte für lungenentzündung.

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shako - Samstag, 3. Juli 2004, 16:49
Komm Sie bloß nicht auf die Idee ...
... jetzt das Zeitliche zu segnen, Herr Kid, jetzt, wo man Sie gerade beim Preisbloggen der ZEIT nominiert hat. Das geht nicht. Da müssen Sie jetzt durch. Ansonsten mein Beileid, ich weiß, wovon Sie reden ... ;-) . Und das mit den Silbermünzen werd ich mir gut merken.

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