Tod einer Wespe


Fotografische Arbeit einer offenbar toten Wespe. Symbolbild.

Es ist nicht so als hätte ich mir beide Hände in einen Schraubstock pressen lassen oder wäre nicht in der Lage, meinen Computer einzuschalten. Auch wenn der immer gemütlicher wird in dieser hochgetakteten Zeit. Aber nachdem ich, müde bereits, letztes Jahr mehr mit Zähnezusammenbeißen beschäftigt war und dieses Jahr nicht Kieferknirsche, sondern nur noch müde bin, verfolge ich mit dem einen (mittlerweile schlechten) Auge die Dauerbaustelle auf dem Nachbardach, führe das ein oder andere Gespräch mit den Arbeitern über Gerüst und Ziegel hinweg, lerne ein paar Brocken Polnisch („Kannst gleich nach Hause gehen!“), und mit dem anderen (noch guten) Auge betrachte ich den ein oder anderen Sanierungsfall in meiner eigenen Wohnung, tüftle Provisorien mit möglichst positiver Bilanz aus (Lebensdauer minus Haltedauer), manchmal mit grimmiger Lachfalte im Gesicht, weil ich mal eine Freundin hatte, die ab und an schimpfte („Du und deine Provisorien!“), aber auch einsehen musste, dass die (meist) hielten. Man musste halt am Schrank nur zunächst links unten drücken und dann erst die rechte Tür aufmachen. Ist wie Politik.

Bin also sehr mit Durchschnaufen beschäftigt, höre Coltrane, dies, das, male dabei begeistert meine stümperhaften Bilder in eine Kladde, die sich bereits in alle Richtungen aufgewellt hat, wie bei so einem Künstler, esse mein Brot und dazu Karotten und bin neulich vor Inspector Barnaby eingeschlafen. Lieber schlafe ich allerdings vor Brokenwood ein, weil ich natürlich sehr angetan bin von der rothaarigen, russischen Gerichtsmedizinerin, die es darin nach Neuseeland verschlagen hat. Leider läuft Brokenwood selten und vielfach nur in Wiederholungen (jedenfalls im TV), während andere Krimis pausenlos laufen. „Mord“ und „Tod“, von Norden bis Süden bis hin in die Bretagne.

Kriminalfälle close to home gibt es aber auch. In „Tod einer Wespe“ sehen wir einen nicht mehr ganz jungen Blogger (gespielt von Kid37) den Frühstückstisch verlassen, ins Bad gehen und das Pyjamaoberteil lösen (ist ab 16). Da hängt am Unterarm, eine wahre Geschichte wie bei einer Gerichtsmedizinerinnenserie, eine zusammengekrümmte, weil tote, zudem aber unbemerkt gebliebene Wespe, die nur noch von ihrem Stachel in der Haut gehalten wird. Der nicht mehr ganz junge Blogger zieht vorsichtig den Stachel raus, wundert sich über Motiv und Durchführung der Tat und die näheren Umstände des „Unalivements“, wie man in den USA sagen würde. Die Wespe, keine „gemeine“ oder „deutsche“ oder „sächsische“, eher wohl eine kleine Feldwespe, kam wohl dazu, sich hinterrücks in den Ärmel schleichen, aber nicht mal mehr dazu, Gift zu injizieren. Jedenfalls pochte oder juckte da nichts.

„Wissen Sie“, gab der nicht mehr ganz junge Blogger (immer noch gespielt von Kid37) dem Kommissar (knurrig: Peter Lohmeyer) zu Protokoll, „wenn man im Leben so oft gepiesackt wurde wie ich, dann merkt man das irgendwann gar nicht mehr.“ Der Kommissar seufzt und nickt. “Wir haben es alle nicht leicht.“

„Spannend und gut gespielt - diese Folge sticht!“ urteilt eine bekannte Fernsehprogrammzeitschrift und gibt den Daumen hoch.

>>> Geräusch des Tages: PJ Harvey, You Come Through

Homestory | 18:23h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fidibus - Dienstag, 29. Juli 2025, 20:33
Bin eine zimperliche Krimikonsumentin - und begüße es, wenn das auserkorene Opfer unbeschadet davonkommt. :-)

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kid37 - Dienstag, 29. Juli 2025, 21:56
Habe wohl ein dickeres Fell als ich Sensibelchen immer dachte.

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samojede - Mittwoch, 30. Juli 2025, 00:09
Bitter mit den Wespetod, aber kann nur an die Paviane denken








🔫

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kid37 - Mittwoch, 30. Juli 2025, 09:12
Natur ist grausam. Zoos auch. Oder Landwirtschaft. Hab' aber auch innegehalten.

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frau eff - Mittwoch, 30. Juli 2025, 09:02
Einige ihrer Horrorgeschichten von früher im Kopf, würde ich unverzüglich nach der Wespenquelle forschen (mit Lupe). Erfahrungsgemäß sind Wespen nicht so Einsiedler wie Sie.

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kid37 - Mittwoch, 30. Juli 2025, 09:17
Möglicherweise haben die Bauarbeiten am Nachbardach den regelmäßigen Nestbau unterbunden. Will es nicht beschreien, aber bislang finde ich es eher wespenarm hier. (Anfang des Jahres hingegen auffallend viele Wildbienen auf Besuch.) Auch sehe ich mehr Fliegen, die offenbar nicht gejagt werden. Klopfe mal auf Holz. Gestern gab es im Lokal-TV erste Berichte über Wespenplagen in Hamburg und den Start der Saison. Ich hoffe mal, das betrifft nur andere Viertel. Aber ich habe ein Auge drauf!

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