Ausgefallene Hobbys



Im 19. Jahrhundert erblühten bekanntlich die exzentrischsten Hobbys und Angewohnheiten. So polierten freitags abends, wenn die Pflichten der Woche erledigt waren, ledige viktorianische Damen gerne die Schädel ihrer Ex-Liebhaber. Heute unvorstellbar? Hoffentlich. Aber in der von allerlei Morbiditäten angekränkelten Zeit des Viktorianismus, in dem der Trauerkult extreme Blüten trieb, war dies ein verbreiteter Zeitvertreib und eine stille Genugtuung für die Damen.



Häufig wurde die Schädelkollektion ganz ungeniert und mit einem gewissen Stolz im Salon postiert. Sie waren Gesprächsstarter und Eisbrecher für Smalltalk bei geselligen Soireen, wenn man nach Trunk und Spaß beim Kartenspiel und spiritistischem Schabernack noch ein Thema für die gepflegte Konversation suchte. Man muss immer wieder daran erinnern: Fernsehen oder gar Streaming gab es ja nicht! Die Kultur- und Sittengeschichte geht über solche Dinge heutzutage hinweg, aber die Zeiten waren grimm, und die Gier nach Abwechslung und Frivolitäten groß.



Apropos, Frivolitäten. Eros und Thanatos trafen natürlich auch auf Spitzendeckchen wie Ying und Yang zusammen. Solche Bilder und Gesten sind daher Lockung und Warnung zugleich: Was süß beginnt, wird knöchern enden.

(alle Fotos aus dem Archiv für Trauerkultur, private Sammlung)

Wunderkammer | 23:03h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
samojede - Samstag, 5. August 2023, 08:54
Inspirierend





















💀

 link  
 
kid37 - Samstag, 5. August 2023, 13:07
Nicht wahr. Aber nun drängen sich zwingend weitere Detailfragen auf: Welche Tücher wurden damals zum Polieren benutzt? Feines Rehleder, ägyptische Baumwolle, irgendetwas Spezielles? Dazu wurden sicher bestimmte Öle benutzt - auch dazu fand ich in meinen Recherchen keinen Hinweis. Heutzutage kann man für Billiardkugeln einfach ein Pflegemittel im Handel kaufen (auch als Spray). Genau so wie antistatische Mikrofasertücher. Aber das hatte man damals ja alles nicht. Genau das ist Aufgabe moderner Kulturforschung. Nicht nur die Juwelen der Mächtigen zu beschreiben, sondern die Dinge des Alltags.

 link  
 
samojede - Samstag, 5. August 2023, 14:12
Absolut.




































(Ich muss mein Kommentare so knapp halten, weil ich 0 Ahnung von diese Materie habe und ich könnte nur so leicht stumpf geschmackloses wie zb sogenannte Scheidensekret wurde zum Polieren benutzt in den Ring werfen und das wird ihren Aufsatz nicht gerecht!)












✴️

 link  
 
kid37 - Samstag, 5. August 2023, 14:54
Und während Zwölfjährige verstohlen kichern und andere pikiert den Atem anhalten, sind Sie natürlich auf der richtigen Spur. So hatte der Begriff "Wichse" im 19. Jahrhundert natürlich noch seine ursprüngliche Bedeutung. Inbesondere im viktorianischen England: "Die englischen Glanzwichsen enthalten Gummi, Olivenöl und Beinschwarz als schwarzes Pigment (ein erhitztes Gemisch aus Sirup, Knochenkohle und Schwefelsäure)." Olivenöl (oder Kokosöl) wäre auch mein Tipp gewesen.

 link  
 
manhartsberg - Samstag, 5. August 2023, 17:24
Bei uns in Oberösterreich wurde zu der Zeit ja weniger poliert als vielmehr bemalt. Als würdige Nachfolgerin der von Ihnen so vorteilhaft präsentierten Damen könnte ich mir allerdings Mr. Steeds sich durch exorbitanten Verlobtenverschleiß auszeichnende Rallye-Copilotin aus der Folge "Dead Man`s Treasure" vorstellen..

 link  
 
kid37 - Samstag, 5. August 2023, 19:23


Die bezaubernde Schädelstätte kenne ich nicht, aber ein vergleichbares Exemplar aus dem Naturhistorischen Museum in Wien, das ich auf einer meiner nun leider selten gewordenen Reisen fotografierte. Eine schöne Tradition, gerade für lange langweilige Abende in der in jeder Hinsicht dunkleren Jahreszeit.

In der schaue ich auch sicher meine Avengers-DVD-Sammlung weiter. Diese Folge kenne ich nämlich noch nicht. Bin gespannt!

 link