Brutstätten der Maschinenwesen



Obwohl eine Märchenkaiserin darin wohnte, sieht Schloß Schönbrunn ja vergleichsweise fast bürgerlich frisiert aus. Die Größe der Anlage, der Park und die Brunnen, der Ausblick von der Gloriette auf die Stadt machen da viel wett. Aber ein Neuschwanstein ist es nicht. Wer auf Türme und Schnörkel steht, muß trotzdem nicht darben: Zwischen Schwechat und Wien liegt die große Kathedrale, eine Sagrada Família für Freunde imposanter Industriearchitektur. Rohre und Schornsteine, ewig brennende Fackeln machen die Raffinerie zum einem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt. Nachts eingetunkt in ein Lichtermeer, verzückt die Anlage wie eine Kultstätte die ankommenden Besucher oder erfüllt die Abreisenden mit Wehmut. "Die Raffinerie in Schwechat bei Wien zählt zu den größten und komplexesten Binnenraffinerien Europas", sagt die Webseite der Betreiberfirma. Sie hat, umgerechnet in aktuelle EM-Zahlen, eine Größe von 200 Fußballfeldern, das ist sehr groß.

Solche Sakralbauten sind denn auch zum Staunen gedacht. In meiner Heimatstadt irgendwo im Bergischen kann man mit der Schwebebahn durch eine der Betriebsstätten eines bekannten Chemie- und Pharmakonzerns fahren, über dampfende Ventile und glänzende Rohre hinweg, Betriebsfahrradwege und farbig lackierte Steigleitungen. Man kann das Ding riechen, den Geschmack von den Zähnen puhlen und sich überlegen wie es wäre, dort nachts von einem Alien gejagt zu werden. Einem dampfenden Maschinenwesen. Das ist die Ehrfurcht, das beklemmende Gefühl, hier nicht nur Idylle zu sehen, sondern Architektur, vor der man sehr, sehr klein wird.

Wenn also derzeit in Frankreich Sportler beim Ballspiel etwas verzagt wirken, sollten sie sich fragen, wie sie fühlten, wäre ihr Spielplatz 200 Fußballfelder groß. Ein Monster in meinem Wandschrank.

Ausfallschritt | 23:27h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
sid - Mittwoch, 22. Juni 2016, 02:23
Ich mag den Bau gern in der Nacht.
Hat was von Abyss.

Im Landeanflug immer ganz große Gefühle.

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kid37 - Mittwoch, 22. Juni 2016, 15:05
Stimmt, ein verlorener Ort. Ich hörte, da arbeiten nur ganz wenige Menschen, weil alles automatisiert ist. Die Lichter täuschen. Aber das macht Illusionen und Träume ja oft nur schöner.

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ana - Sonntag, 26. Juni 2016, 01:10
Lieber Herr Kid, ich habe zwei Monate nichts von Ihnen lesen können und ebenso nichts kommentieren, da ich mal wieder in der Psychiatrie war. Diesmal nicht am Euro pakanal und nicht in Engel tal, sondern im Nordklinikum. Sie müssen sich nicht überlegen, das zu löschen, da ich bei klarem Verstand bin, und wäre ich es nicht, wäre ich hinterher nicht betrübt. Bei Facebook habe ich mich schon unter meinem Klarnamen "blamiert". Das Photo oben ist große Klasse, ist das von Ihnen...?

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kid37 - Sonntag, 26. Juni 2016, 15:14
Sie haben hier nicht viel verpaßt, hier ist sozusagen eine ruhige Internetoase, in der höchstens ich mich regelmäßig blamiere. Schön, daß es Ihnen besser geht, das freut mich. Die Raffinerie ist ganz spannend, ich würde da gerne mal abends in Ruhe fotografieren, nicht nur aus dem Zug heraus. Vielleicht, wenn irgendwo Fußball ist, dann schaut keiner.

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ana - Sonntag, 26. Juni 2016, 18:02
Sollten Sie sich blamieren, was mir bisher entging, tun Sie es ja nur unter kid37.

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kid37 - Sonntag, 26. Juni 2016, 19:03
(Ihren Namen hab ich jetzt doch mal rauseditiert. Brauchen wir hier ja nicht, hier gilt ja quasi eine Art Blogger-Schengen-Abkommen.)

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ana - Montag, 27. Juni 2016, 09:18
Danke Herr Kid.

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