Durch Laub rumpeln



Das Wetter heute war wirklich ausgezeichnet. Knapp vor "motschig", wie man früher bei uns gesagt hätte. Also ein bißchen feucht, aber weiß Gott nicht zu warm, mit einem schön bedeckten Himmel zudem, was ja Radfahrern und Fotografen zugleich entgegenkommt.

Der Hamburger Stadtkönig möchte ja die Gegend hier aufwerten wie es heißt, also an Investoren offerieren, die Olymiaauffangbecken und ordentlich bepreisten Wohnraum für die jetzt schon neugierig durchs Viertel cruisende SUV-Fraktion aus dem Boden betonieren. Jetzt mal neutral gesprochen, nicht daß hier Untertöne vermutet werden, wie es ab und an den Texten, die hier sprechen, vorgehalten wird.

Ich aber war nicht auf der Suche nach Betongoldabladeflächen, sondern nach Möglichkeiten für einen kleinen Retreat, der mir und meinem Seelenhaushalt sehr schmeicheln würde. Mangels finanzieller Sprungkraft reicht es bekanntlich nicht ganz zu einem Ferienhaus an der Riviera, auch wenn die Gegend um Bandol oder Sanary-sur-Mer ganz angenehm, wenngleich recht fern ist. Auch die Ostsee hat so ihre Tücken, weshalb ich zwischendurch immer mal wieder unerschrocken und alternativ nach einem erweiterten Balkon, also Kleingarten, in der Nachbarschaft schaue.

Fast hätte ich ja mal einen gekauft, standen dort doch schon schlüsselfertig eine in munteren skandinavischen Farben gestrichene Laube, drei verkommene Obstbäume und eine Fläche für die noch anzuschaffen gewesene Liege aus nachhaltig produziertem Teakholz parat. Langes Zögern und Zaudern aber ließ Gartenkonkurrenten mir zuvor kommen. Eine türkische Familie nämlich, die als Demonstration gelungener Integration als allererste Maßnahme Thuja-Gestrüpp zum Sichtschutz quer über das lauschig geschnittene Stück Toskana pflanzte und als nächstes die hübsche Skandinavienlaube in düsteres Eiche-Altdeutsch umbeizte. Eine bedenklich stimmender Kulturtransfer.

Nun bewirtschaftet man solch einen Garten ja auch nur schwerlich allein, da gehören falsche Vorstellungen gleich mal auf den Kompost. Ein Partner mit weiteren fleißigen Händen wäre hilfreich, denn es gilt, einen Spaten zu führen oder Rasenflächen nach Fifa-Regeln zu trimmen. Da wäre es zum Beispiel gut, wenn ich diese Arbeiten von meiner aus nachhaltig produziertem Teakholz gezimmerten Gartenliege beaufsichtigen und mit hilfreichen Gesten eines Zeigestocks auf übersehene Ecken oder asymmetrisch geführte Schnittkanten hinweisen könnte. Zu Zweit geht alles schneller und wenn man mir im Anschluss zum Dank für meine Hilfe ein fein abgestimmtes Sonnenuntergangsgetränk mit einem lustigen Papierschirmchen drin an meine aus nachhaltig produziertem Teakholz gewirkten Liege reichen würde, sagte ich nicht Nein, sondern munter: "Haben wir's nicht schön?"

So weit der Plan in groben Zügen. Derweil schaue ich also regelmäßig auf struppige Brachen, plane Standorte für Grill und Kofferradio, Sonnenschirme und Bikinizonen. Spanne im Geiste Federballnetze, plaziere Tore fürs Rasencroquet und reserviere Flächen fürs Tomaten- und Orchideenhaus und eine Ecke für die Honigbienen. Der innere Spaten steht sozusagen bereit. Jetzt aber erstmal Abendbrot.

Homestory | 21:10h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kreuzbube - Montag, 8. September 2014, 22:14
Bei so einem Kleingarten darf man aber keine falschen Vorstellungen haben. Da gärtnert man nicht nach Belieben vor sich hin, sondern die Ordnung ist einzuhalten. Und die beinhaltet zufürderst, dass man die Ordnung einhält. Und soundsoviele Quadratmeter Beete anlegt und bewirtschaftet. Alternativ soundsovielte Quadratmeter Blumenbeete. Das gilt es rechtzeitig zu erkunden. Nicht, dass das Orchideenhaus ordnungswidrig und ungenehmigt und damit abrisswürdig da steht.

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kid37 - Montag, 8. September 2014, 22:55
Und noch schlimmer: Vereinsleben! Viele fremde Menschen mit möglicherweise befremdlichen Ansichten. Tanz in den Mai und noch eine Weihnachtsfeier. Gemeinsames Wegeharken und Vereinsheimstreichen! Den Rest regelt ja das KLG-Gesetz, ich glaube, da wird gedrittelt. Ein Drittel Bikiniliegefläche, ein Drittel Trüffel- und Kohlrabianbau, ein Drittel Blütenträume. Und im Herbst dann Begehung, dann gibt es Zitronen für die schönsten Gärten. Und mit Freistoßspray markierte Hecken, die zu hoch gewachsen sind.

Ihr Gartenfreund37

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hr.fuenfprozentfrau - Dienstag, 9. September 2014, 23:33
Sie können sich ja mal ein wenig einlesen

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frau eff - Montag, 8. September 2014, 22:25
Sie sollten sich hier, wo ich gerade bin, ein paar Gärten als Vorlage anschauen. Als head gardener eines entsprechend großen Anwesens wird man hier gefeiert und rezensiert wie ein Theaterregisseur.

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kid37 - Montag, 8. September 2014, 22:57
Manche Kulturkreise erheben eben auch den Alltag zur Kunst. Leider sind mir wirkliche grüne Daumen an mir bislang nicht aufgefallen,von meinem ins Monumentale drängenden Kaktus einmal abgesehen. Auch meine Orchideenzuchtergebnisse (ich komme jetzt in dieses Alter) sind bislang bescheiden geblieben. Aber wofür haben große Dirigenten Personal! Die hauen auch nicht selbst die Pauke.

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maphisti - Dienstag, 9. September 2014, 22:42
Hamburg ist ja auch auf dem Zweiten Rang in der Kleingartendichte!

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maphisti - Freitag, 12. September 2014, 22:07
Oh, oh! Da ist doch nicht etwa schon jemand im Laub stecken geblieben? Das wäre doch wirklich etwas zu früh, oder?!

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zeilensturm - Sonntag, 14. September 2014, 10:58
Ach was, Urban Schrebergardening ist heutzutage überhaupt nicht mehr vergartenzwergt. Und Vereinsleben bedeutet im Jahreskreis einfach nur: angrillen, grillen, grillen, grillen, einmal jährlich Laub fegen ums Vereinsheim, grillen, abgrillen, fertig. Allerdings begegnet man tatsächlich sogenannten "Typen", also "Originalen". Sie sterben aber munter aus, also genießen, solange es sie noch gibt. Lustig ist bisweilen auch die urbane Geräuschkulisse. Bei uns z.B. rattert in zehn Metern Entfernung der Güter-ICE vorbei, während der Feierabendverkehr rund um den Horner Kreisel brummt und im Umleitungsfall übers Laubendach die Fuhlsbüttel anpeilenden Großraumjets donnern. Aber sonst ist es sehr lauschig, sogar mit Feierabendgetränk, und enorm zu empfehlen. Plus: Arno Schmidts Eltern hatten einst unweit ihr Stück Scholle!

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maphisti - Montag, 15. September 2014, 23:45
Muss ich mir jetzt bald ernsthaft Sorgen machen?

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kid37 - Dienstag, 16. September 2014, 15:46
Geht gleich weiter. Ich bin noch mit den Druckfahnen meines neuen Romans Zwei Mädchen und nur ein Sommerkleid beschäftigt.

Gärtnern am Horner Kreisel, da brummt es sicher im Gebüsch. Mir ist aber das alte Sprichwort "Die anderen sehen nur das Beet und nie den Spaten" gut im Gedächtnis. Die Arbeit wüchse mir sicher schneller über den Kopf als ich Hecken-Höchsthöhe buchstabieren könnte.

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