And eyes are crying out for everything

Die Eingangsbilder vom Tweed Ride in London (Film) erinnerten mich daran, dieses Jahr die schwarzen Mäntel noch hübsch runterzufahren, dann aber die honigfarbenen oder weißen aufzuziehen. Wundern Sie sich also nicht, wenn ich ein wenig wunderlich scheine, was wurde darüber nicht schon lamentiert, aber spätestens zum nächsten Frühjahr heißt das Motto nicht nur langsam, aber mit Stil, sondern allgemein "Verkehrsaufhübschung".

So wie es Jean-Paul Gaultier mit Günter von Hagens gemacht hat. Dieser Dress ist vielleicht nur auf dem ersten Blick nicht straßenverkehrstauglich, dann aber gerade doch. Hätte ich den mal vor ein paar Jahren bei meinem kleinen Unfall getragen, der Autofahrer hätte vorher brav abgebremst, da bin ich fast sicher. Macht einen schlanken Fuß, könnte man süffisant anmerken, und braucht deshalb keine Handytasche, denn wenn nichts passiert, muß auch niemand anrufen.

Da war nix, heißt es ja sonst ganz gerne mal. Diese Woche aber schon: Eine mittlere Woge einer als ungiftig deklarierten Arbeitsemulsion hüllte mich unversehens ein, ein Schwimmen im Seufzermeer unter vielen Seepferdchen-Aspiranten, Titanenmaloche, Rückführungsschwitzen wie in einer mongolischen Zauberjurte. "Written On The Forehead", singt Polly Jean, etwas vom dunkleren Sommer, und wie ich neulich dachte, wie gerne ich mich einhüllen lasse von diesen Stimmen und, wenn ich in ein paar Jahren einen runden 37. Geburtstag feiere, dann lasse ich die alle antreten. Die Braut zum Beispiel, am liebsten aber wären mir drei beschwipste Bloggerinnen, die für mich Karaoke singen. Wenn man nur die Frisuren sieht, ohne Brille jetzt, ähneln die sogar drei recht bekannten.

Ist aber alles unbezahlbar.

Homestory | 12:51h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
gaga - Samstag, 10. September 2011, 20:03
"...with a bit of style", das ist sehr schön tiefgestapelt.

Und jetzt wollen wir natürlich ganz genau wissen, welchen "drei recht bekannten" Bloggerinnen Janet, Diane und Lynn ähneln. Mir fällt jetzt zum Beispiel keine einzige (mir) bekannte Bloggerin mit blonder Wischmoppfrisur ein. Und die Frisur von der Dame ganz rechts (Lynn? Diane?) findet man meiner Erinnerung nach eher bei männlichen deutschen Bloggern. Obwohl ich da jetzt auch ganz stark überlegen müsste.

(Ich kann ja schon mal nicht gemeint sein, denn ich bin ja nicht so bekannt und meine Zottelfrisur ist auch nicht dabei.)

 link  
 
kid37 - Dienstag, 13. September 2011, 02:22
(Unser Auftritt folgt ja erst im Anschluß!)

Ich sagte ja, "ohne Brille", so ganz kommt es leider nicht hin. Aber mit seeehr zusammengekniffenen Augen und vor dem Hintergrund, daß besagter runder 37. ja noch viele, viele Jahre hin ist, kommt es schon hin. Zwei kennen Sie auch, bei dem "Wischmop" allerdings bin ich selbst unsicher. (Und auch wenn ich niemals einen Preis für Diplomatie oder Galanterie erhalten werde, möchte ich hier keine Hinweise geben, sonst fliege ich noch von den allerletzten Blogrolls. Aber blondgelockt, da gibt es schon noch ein, zwei, drei. Und die können auch alle singen.)

 link  
 
mark793 - Samstag, 10. September 2011, 20:34
Sehr schönes Video
vom Retro-Radel-Rummel. Neulich hatte ich ja noch gemutmaßt, "Tweed Run is the new Mittelalter-Markt", aber vielleicht revidiere ich dieses Schnellurteil doch - spätestens wenn Sie in Glencheck-Sakko und Knickerbockern bei einem solchen Event mitpedalieren (im ersten Moment dachte ich schon, das wäre Ihr Rad, da da am Baum lehnt).

 link  
 
kid37 - Dienstag, 13. September 2011, 02:35
Jedes Land kriegt den Sommerkarneval, den es verdient ;-) Ich denke, in Deutschland gibt es einfach keine Tradition für so was, das bleibt den Briten vorbehalten. Mittelaltermärkte hingegen - die sind hierzulande doch ganz richtig. Schon gut, daß es damals keine Fahrräder gab, so grobgeschmiedete Eisenräder im Straßenverkehr wären schon eine ästhetische Herausforderung.

Leider fehlt mir die Erfahrung als Veranstalter, sonst würde ich tatsächlich versuchen, so was in Hamburg auf die Beine zu stellen. Menschen mit Tweedkostümen gibt es hier einige, und wenn mein Rad erst die weißen Reifen hat, sieht es wirklich so aus wie das in dem Film. Ein engagiertes Aufbegehren wäre das gegen den windschlüpfrigen neonfarbenen Funktionsstoffwahn in der Radfahrwelt.

 link  
 
mark793 - Dienstag, 13. September 2011, 15:53
Ich sitze da ja gewissermaßen
zwischen allen Sätteln. Gegen moderne und zweckmäßige Stoffe und einen gepolsterten Hintern finde ich grundsätzlich nichts einzuwenden - wenngleich ich dem Neonpapageienlook doch eine deutliche Absage erteile und mich normalerweise nur in verschiedenen Kombinationen von schwarz-weiß-grau aufs Rennrad schwinge.

Solange es nicht zu verbissen ausartet, fände ich so eine Veranstaltung aber doch recht charmant. Wie ich ich in dem Filmchen sah, waren da auch ein paar Leute dezent-zeitgemäß unterwegs, sowohl was die Textilien angeht als auch beim fahrbaren Untersatz. Da würde ich mich mit Sir Walter auch einreihen.

 link  
 
kid37 - Mittwoch, 14. September 2011, 00:14
Ich denke, diese Tweed-Rides sind ja erstmal nur ein hübscher Karnevalersatz. Mit Musik, Retro-Gefühl und Spaß an der Verkleidung. Aber ähnlich wie bei meinem Aufstoßen im anderen Beitrag gegen Dinge wie elektrisch betriebene Pfeffermühlen und anderer Schnickschnack frage ich mich doch, ob dieser Sport- und Freizeitzubehörwahn nicht vollends aus dem Ruder läuft. Ich stelle fest, auch ich komme in das Alter, in dem es offenbar ein natürlich wachsendes Interesse an "Funktionskleidung" gibt - vielleicht bloß ein weiterer Ausdruck des stetig auf Effizienz getrimmten Menschen. Regen? Ich wandere weiter, als sei nichts besonderes. Früher hätte man sich ins Café gesetzt, wie es sich gehört. Mit einem guten Buch oder einer anderen netten Begleitung, auf das Ende der Widrigkeiten gewartet und nicht das Lied vom SOFORT gebrüllt. In Funktionskleidung gibt es ja keine Ausrede mehr. Wind-, wasser- und gedankendicht bis acht Meter Wassersäule!

Und das in der Freizeit. Völlig verrückt. Das ist die Kehrseite des kaum wegzudiskutierenden Komforts dieser Klamotten. Auf den Herbstregalen hängen schon wieder überall diese plastikfolienbeschichteten Fatsuits, mit denen uns Mitmenschen bereits im letzten Winter monatelang die Aussicht verdarben. Schlimmes, Schlimmes steht bevor.

 link  
 
kreuzbube - Donnerstag, 15. September 2011, 09:22
@mark793, Knickerbocker, die ja aus dem Golfsport kommen, sind natürlich ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich Outdoor-Funktionskleidung im Straßenbild breit macht. Und dann erst die auffälligen Kniestrümpfe, die man dazu zu tragen pflegte. Von den bunten Krawatten der 1920er Jahre ganz zu schweigen, wenn diese seinerzeit auch oftmals aus Kunstseide waren.

Damen in Papageienlook Seidenfasern, mit Perlen, Boas und Stirnreifen geschmückt könnten mich unter Umständen anziehen, sofern denn aus dem Tweed-Ride wenigstens ein Kaschmir- und Kamelhaar-Ride würde.
Auf Anknöpfkragen, Krageneckenversteifer, Sockenhalter usw. könnte ich hingegen verzichten.

 link  
 
kid37 - Donnerstag, 15. September 2011, 14:57
Moment: Sie gehen etwa ohne Sockenhalter zur Arbeitsstelle?

 link  
 
kreuzbube - Donnerstag, 15. September 2011, 15:15
Moment: Sie tragen etwa keine Kniestrümpfe?

 link  
 
kid37 - Donnerstag, 15. September 2011, 15:49
;-)

 link  
 
ana - Samstag, 10. September 2011, 20:35
Maßgeschneidert und vielleicht noch verfeinert ist so ein Out-fit, sollte ein Arzt doch einmal nötig sein, sicher ebenso von großem Vorteil; ein ungeübter Diagnostiker kann da das Innwendige nicht so leicht verwechseln.

 link  
 
kid37 - Dienstag, 13. September 2011, 02:38
Als Blogger lebt man ja meist mit Zweit- und Dritthaut, so nackt zeigt man sich ja (mittlerweile) selten. Das wäre also schon ganz praktisch, nicht nackt, aber doch mit der Geste, he, ich bin auch nur Fleisch & Blut. (Und diese hautengen Shirts mit falschen Tattoos drauf waren ja für einen Sommer auch mal der Renner, warten wir also ab, bis die Gaultier-Anatomie-Kollektion durch die Instanzen marschiert ist und bei H&M auftaucht.)

 link