Montag, 16. Juni 2025


Merz/Bow #82



Der Zirkus ist in der Stadt, und vielleicht reise ich mit. Allerdings: Zu meinen notorisch schlecht geschnittenen Haaren gesellt sich mehr und mehr eine schlecht gelaunte Müdigkeit, eine unkonzentrierte Lustlosigkeit, ein (hoffentlich nur) inneres Gnarzen und Zischeln, transmissionsloses Herumeiern, eine ergebnisoffene Rastlosigkeit, angetrieben vom Bohrwerk fleißiger Handwerker auf dem Gerüst am Nachbarhaus. Wie soll man da ins Blog notieren von Listen und Notationen und Werkverzeichnissen? Eben.

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Das drängende Thema, von keinem mehr gern gehört, heißt also wie jedes Jahr "Urlaub", den ich dieses Mal aber - wie jedes Jahr ersehnt - wie von der Firma MiuMiu vorgeschlagen [YT] mit Fotografieren und Gartensitzerei verbringen möchte. Ungerechterweise, also wie immer also, wurde in dem kleinen Film die von mir eigentlich angestrebte Rolle mit Willem Dafoe besetzt. Aber wer genau hinschaut, kann mich in einer kleinen Nebenrolle erkennen, wie ich als Butler gekleidet mit einem Silbertablett durch die Szenerie schleiche.

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Ich war einmal im Urlaub, und zwar in Istanbul. Damals gab es das aber noch nicht: Orhan Pamuks Museum der Unschuld [YT]. Der Struktur seines gleichnamigen Romans folgend, präsentiert es seit 2012 Schaukästen mit Assemblagen aus Alltags- und Erinnerungsstücken, eine Art Stadtplan für eine nostalgische, atmosphärische Reise durch ein imaginiertes Istanbul, Kindheitsverklärungen, Familiengeschichten und historischen Ereignissen.

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Zwiespältige Erinnerungen bietet auch die vieldiskutierte Online-Auktion einiger von David Lynchs Besitztümern. Bücher, Gitarren, Drehbücher, Hifi- und andere Technik, Merchandising seiner Filme, aber auch offenbar ungesäuberte Kaffeemaschinen, Bügelbretter und anderer Kram und Krempel einer ganz normalen Haushaltsauflösung, was dem Ganzen etwas unwürdig Gefleddertes verleiht. Darunter war auch Lynchs Filmbibliothek, die hier in kleine Konvolute zerlegt angeboten wurde. (Ich hörte, ein Teil der Bücher ging an Filminstitute, dies sei der Rest, der auf ausdrücklichen Wunsch Lynchs versteigert werden sollte.) Auf Instagram gibt es einen Überblick.

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Kommen wir zur Erkenntnistheorie, einem weiteren Feld dieses Instituts hier. Webseiten, so ein mit Tinte und Feder notierter Eintrag in meinem Studientagebuch, sind heutzutage wie dreijährige Kinder. "Wir nutzen Cookies und andere Technologien", erklären diese Steppkes einem stolz. Das ist so wie "Papa fährt Mercedes" oder "Ich habe eine Katze zu Hause" - gewichtig vorgetragene Informationen, die aber keinen wirklich interessieren. "Ich habe auch Cookies zu Hause" sagt man dann freundlich, um eine gewisse Einfühlsamkeit vorzugeben und das Gegenüber nicht zu enttäuschen. (Manchmal kräht es dann "Gar nicht!" oder sie fragen, leicht überfordert mit eigentlich simplen Denkprozessen beschäftigt, "Wirklich?")

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Derzeit kein Urlaubsziel. Aber die Fotos von Evgenia Arbugaeva aus ihrer sibirischen Heimat sind (immer noch) eindrucksvoll. Auch hier besticht eine gewisse unerklärte Zeitlosigkeit, der Kontrast aus Brauntönen und einzelnen Farbtupfern und dem frostigen Weiß der eisigen Landschaft, den harschen Lebensbedingungen und eindrucksvollen visuellen Erfahrungen. Sie lebte lange in New York (das ist eine große Stadt in den USA und auch kein Reiseziel derzeit), kehrte aber vor ein paar Jahren in ihre Heimat zurück. Etwas, das ich für mich selbst vermeiden möchte.

MerzBow | von kid37 um 15:20h | ein Zuspruch | Kondolieren | Link