Dienstag, 24. September 2024
Fluffig und gut erzogen: Artbooks im Park
Ich bin ja in dem Alter, wo man sich gemeinhin einen Hund anschafft, und sei es einen imaginären. Man kommt raus bei Wind und Wetter, heißt es, spricht mit anderen und bleibt in Bewegung. Mir ist das zuviel Verantwortung und Erziehungsmühe, aber ich gehe dafür schon mal mit einem Karton voller Kunstbücher rüber in den kleinen Park, sitze gemütlich auf einer Bank und mache ein Päuschen. Regelmäßig treffen sich dort auch kleine informelle Gruppen wie "Die lauschigen Fünf e.V." oder "Die lustigen Alkopopser". Die haben entweder Hunde mit Erziehungsrückstand zwischen sich oder auch einen oder zwei Kasten Bier und lassen alle einen guten Tag haben. Außer es gibt Stress. So ging neulich ein aufgeregter und offenbar schwer einzuhegender Hund der Huskybauart einem kleineren ans Fell, das verschob die Harmonie in der Gruppendynamik und so zog der Besitzer samt aufbockendem Schlittenhund grummelnd in meine Richtung. Nun war aber kurz zuvor ein, ich sage mal laienhaft, "Problemhund" mit Maulkorb und seinem symapthischem Gassigeher entspannt an mir vorbeigezogen und hatte ein paar Bänke weiter im Schatten zum Wasserpäuschen Quartier bezogen.
Ich also weitgehend ungefragt dem Huskymann geraten, vielleicht besser "außenrum" zu gehen, weil dort ein Problemhund mit Maulkorbpause getränkt würde... aber das Grummeln am vorderen Ende der Leine veränderte sich nur minimal in der Tonhöhe - Schritt und Richtung blieben unbeirrt. "Das gibt bestimmt Ärger", sagte ich zu meinen Artbooks und tätschelte beruhigend den Karton. Und, ich kürze mal ab, Problemhund zeigte Territorialverhalten, Mann und Husky schlugen sich in de Büsche, alle hatten Stress, Stimmung dahin.
"Muss ja nicht", heißt es in Kapitel zwei meines großen Hamburgromans Gern., der eigentlich Dafür nich heißen sollte, aber der Verlag wollte es (gern) knackiger.
Ich arbeite weiter am Manuskript meines Hamburgromans. Der sollte zunächst "Dafür nich" heißen, der Verlag drängte aber auf einen kürzeren, prägnanteren Titel. Das mache ich natürlich gern, das sind ja konstruktive Vorschläge. Im Buch verarbeite ich Geschichten über Hunde und Schiffe im Nebel, Görls mit Matjesbrötchen und Rock'n'Roller in Hafenkneipen (letzteres eigentlich nur wegen Erwartungshaltung des erwarteten Publikums). Usw., will nicht geschwätzig werden. In der Schicht darunter entpuppt sich das schmale Werk als empfindsamer Entwicklungsroman über einen Mann im Park mit eingebildetem, also imaginärem Hund. Ach ja, so ein Titelgenerator befindet sich hier.
Rebecca Horn: Katalog zur Ausstellung in Wien, 2022
Rebecca Horn ist gestorben. Mit 80 Jahren, nach langer Erkrankung, dann aber doch irgendwie überraschend. In München im Haus der Kunst hat sie vor Kurzem noch ihre Retrospektive besichtigen können, die dort noch bis zum 13.10. läuft. Elektrisch britzelnde Nashornhörer aus Metall, Videos spektakulär eindringlicher Performances (hier ein Zusammenschnitt auf Youtube), krachende Klaviere über Kopf, die Horn hat menschliche Zustände und Bedingungen oft schmerzhaft hinterfragt und in ihren oft sehr körperlichen Werken und magischen Maschinen Wunder und Wirklichkeit, Gesellschaft, Krisen und Utopien meist ohne soziologische Gedankenanweisung und immer poetisch verschmolzen.
(Rebecca Horn. Katalog zur Ausstellung im Kunstforum Wien. Hatje Cantz, 2021.)