Sonntag, 25. Juni 2023
Aufnahme aus der Sammlung des naturkundlichen Museums. Wohl nicht für wissenschafltiche, sondern für werbliche Zwecke gedacht - man achte auf die "neckische" Positionierung des Käferbeins über den Rand des Passepartouts
Im Zeitalter des Viktorianismus, wir sprechen also über das 19. Jahrhundert, hatten die meisten ein exzentrisches Hobby für wenn sie um fünf von der Arbeit nach Hause kamen und sich ein wenig im Salon die Zeit vertreiben wollen. Es war die Zeit des Kolonialismus, dem Drang, die Welt neu zu kartieren und zu unterwerfen. Eine Zeit der technischen Entwicklungen, aber auch Entdeckungen in Natur und Medizin, Kunst und Psyche, die ganz Europa unter Dampf setzte. Vieles ist heute wieder halb oder ganz vergessen, aber eifrige Flohmarktgänger oder Dachbodenstöberer wie ich, können in staubigen Kisten immer wieder einmal ein obskures Erinnerungstück finden. So wie dieses Fotoalbum mit größtenteils vergilbten und beschädigten Aufnahmen "von früher" (Auskunft des Verkäufers).
Der Leiter der naturkundlichen Abteilung Wilhelm Wilhelm von Ehrendorff mit einem Pflanzenpräparat
Ein zu seiner Zeit bekannter Naturforscher war Wilhelm Wilhelm von Ehrendorff (einmal benannt nach seinem Großvater und einmal nach dem deutschen Kaiser, seine Enkel nannten ihn später humorig "WilhelmZwo"), der Ende des 19. Jahrunderts im Fuhlrott-Museum in Wuppertal eine naturkundliche und insbesondere entomologische Abteilung betreute und Exponate aus aller Welt zusammensammelte. Dabei machte er auch selbst Entdeckungen im Bereich Taxonomie der Insektenkunde, ihm zu Ehren wurde der oben abgebildete Brasilianische Glattkäfer lateinisch Borrus Ehrendorffus benannt.
Brasilianischer Glattkäfer (Borrus Ehrendorffus), eines der Glanzstücke des Museums. (Beschädigtes Exemplar o. Kopf)
Mit einem Stab von Mitarbeitern führte er die naturkundliche Abteilung um die Jahrhundertwende zu einigem Ruhm (heute ist das Museum leider von der Stadt Wuppertal zerstört) und hinterließ eine beachtliche Sammlung an aufwendig präparierten und extrem seltenen Schaustücken.
August Angström, aus Schweden stammender ehemaliger Lehrer, der als Präparator am Museum arbeitete neben einem unbekannten, im Krieg verschollenen Ausstellungstück
Dr. Egbert von Bratzenheim mit einem sogenannten Riesenkäfer (Brachialus maximus)
Dr. Nikolas Markwerth, Entdecker der westafrikanischen Riesenkohlfliege (Mus Cauli deforma)
Der pädagogische Leiter Dr. Fritz Beckern-Beckenburg neben einigen Schaupräparaten für "die Erbauung der Jugend"
Der seltene Ringelmoll, eines der wenigen - und heute ebenfalls verschollenen - Präparate des nachtaktiven Fraßwurms (entfernt mit den Schnecken verwandt)
So weit so gut, die Geschichte kennt in Wuppertal sicherlich jedes Schulkind. Nun wäre das 19. Jahrhundert nicht das exzentrische Jahrhundert, wenn es aus dieser Zeit nicht, wie man damals sagte, einen kleinen Schmunzler zu berichten gäbe. So groß war nämlich das Interesse an Forschung und Wissenschaft, sicherlich aber auch an Exotik und "Glamuhr" (damalige Schreibweise im Bergischen), dass sich nicht an und für sich brave Damen des aufgeschlossenen Bürgertums bereit erklärten, für einen kleinen Spendenkalender und Festgabe zur Weihnachtszeit mit ausgewählten Präparaten des Museums Porträt zu sitzen:
Namentlich nicht erwähnte Damen aus dem Bürgertum, die mit einem Kalender Spendengelder für das Museum einwerben wollten
Lose beigelegt war dem Album ein Foto aus dieser Reihe, das es mit einiger Sicherheit nicht in den Kalender geschafft haben dürfte. Es ist selbst für vikorianische Verhältnisse, insbesondere aber die im protestantisch geprägten Wuppertal, auffällig obskur.
Unbekannte mit einem nicht identifizierbaren Präparat. Möglicherweise ein Elefantenrüssel unklarer Herkunft.