Dienstag, 20. Juni 2023
Drinnen wie draußen ist es bereits wieder ungemütlich warm, die Stadt ein feindlicher Ort, man möchte woanders sitzen, gut durchlüftet und einen Kaffee vor sich. Das letzte Mal, dass ich in einer fremden Stadt im Urlaub gemütlich irgendwo auf einem Balkon saß und einen Kaffee trank ist schon Jahre her, ich weiß gar nicht mehr genau wo das war, auf der Rückseite vom Foto steht nichts.
Im Jahr darauf sollte ich im Juni, also Mitten im Sommer, eine neue Stelle antreten, dann aber hörte ich nie wieder etwas von denen, ich denke mal, das hat sich erledigt, das war 2020. Dann war auch schon Corona und Lockdown und Reisebeschränkungen, und dann war Krieg. Ich wurde darüber ein wenig müde, zunächst im Kopf, jetzt schon im Fußbereich und schon kann man sich kaum daran erinnern, was dieses Konzept "Urlaub" eigentlich ist.
Einmal war ich Schlösser besichtigen. Drinnen war es kühl, das war angenehm, und zugleich war draußen nicht viel los. Man wandert dann so rum über knarrende Parkettböden, nickt mit dem Kopf, sagt "Hm hm", stellt sich Fragen (innerlich) wie "Wo hatten die wohl früher ihren Fernseher stehen?" und tritt mit einem guten Gefühl (innerlich) zurück in die gleißende Sonne (äußerlich), weil man etwas gelernt hat. An der Loire (das ist französische Mosel) kann man mit dem Rad am Flußfernradwanderweg entlangfahren und alle 30 bis 40 Kilometer ein Schloss besichtigen, denn Frankreich hat ganz viele. Das fände ich gut, zum Abkühlen in ein Schlossgewölbe, dabei etwas lernen (welcher Ludwig hier wann "schmachten" musste etwa) und abends Erbsen mit Pürree (in Frankreich sicher mit ganz vielen komplizierten Akzentzeichen auf den "e"s) oder was man da halt so isst. Und am nächsten Tag weitere launige 30 bis Kilometer am Fluss entlang. Das klingt doch wunderbar und gut durchlüftend.
Aber dann muss man da ja erst einmal hin! Wenn man auf der Landkarte schaut, führt der Weg nach links unten erst einmal durch Problematika, einer kleinen Provinz am Rande von Dabrauchtmanbestimmteinautofür und gleich neben Wennduhierdenzugverpasst. Dann muss ja noch meine Staffelei und das Stativ für die Großbildkamera aufs Rad, dazu das Spulentonband für das Field Recording und was man halt so braucht zur Dokumentation der Reise. Bestimmungsbücher! Ganz viele Bestimmungsbücher. Was fliegt denn da? und Was blüht denn da? und Welche Blase ist das hier am Fuß? und dann das alles auf Französisch, weil das spricht man dann da (Wörterbuch nicht vergessen!). Das ist, einmal zusammengerechnet, ganz schön viel.
Früher als junger Mensch war das einfach: Wechselunterwäsche, ein zweites T-Shirt, ein sauberes Taschentuch, Brustbeutel, Interrail-Pass und ab... Unterwegs was geliehen, was Altes und was Blaues, dem Salzgeruch in der Nase nach bis zum Strand, und so war es, und es war gut. Im Alter macht man komplizierte Explosionszeichungen, wo alle Zahnräder exakt ineinandergreifen müssen, denn sonst drohen Tod, Demütigung oder nicht reservierte Essenszeiten. Ein Drama auf kleinsten Bühnen!