Sonntag, 28. August 2022


Köpfe streichen



Hab' jetzt wo 12 Euro Schulden und mußte folglich einen neuen Job annehmen. Zum Glück hat sich mein grafisches Können herumgesprochen, und so bekam ich spontan einen bei der Polizei als Phantomzeichner. Jetzt können Ermittler von Haus zu Haus ziehen und fragen "Kennen Sie diesen Mann?" In der oberen Reihe, der dritte von links kommt mir persönlich ja ein wenig verdächtig vor. Aber wir wollen niemanden vorverurteilen, es gilt die Unschuldsvermutung, und das bloße Ansehen einer Person, also das Aussehen, besagt noch gar nichts. (Außerdem weiß ich als Polizeizeichner meist selbst gar nicht genau, was den Beschuldigten zur Last gelegt wird. Datenschutz.)

Jedensfalls ist man sehr zufrieden mit mir und meiner Arbeit, und das hört man ja zur Abwechslung auch ganz gern. Gerade von Experten. Ich arbeite nämlich nicht nur verblüffend präzise, sondern auch schnell, was man bei der Detailverliebtheit der Bilder nicht glauben möchte. Wie anders war das doch, als ich mein Können als Porträtist in der Fußgängerzone anbot mit meiner Staffelei gleich neben den Streetbuskern und menschlichen Statuen aus Silberfarbe. Oft rief ein vorwitziges Kind oder ein sturer Bock älterer Herr "Der kann ja gar nicht malen!" oder "Das sieht aber gar nicht ähnlich aus", dabei kosteten meine Bilder nur zwei Euro. Dafür kann man am Hauptbahnhof gerade mal aufs Klo. Das muß man ja auch in Relation sehen. Aber die Leute nörgeln gern, statt an kleinen Dingen Freude zu haben. Selten ist nur irgendwas gut genug.