Donnerstag, 4. Februar 2021


Mein kleiner grüner Lockdown



Mein Auskommen fand ich ja lange Jahre als berühmter Gummibaummaler. Beinahe jede Amtsstube, aber auch viele Privatleute drängten mich um ein Porträt ihres grünen Stubengenossen, meist als Aquarell, weil die Materialbeschaffung nichts allzu Extravagantes genehmigen wollte. Manchmal auch in Öl, wenn es sich um reiche Fabrikanten, Import-Export-Kaufleute oder auch betuchte Pflanzenfreunde handelte.

Die Krise begann, als der florale Freund außer Mode geriet, ein Schicksal, das ihn nur menschlicher machte. "Gestern warst du noch wer, heute bist du nichts", wer kennt das nicht. Einmal den falschen Ton getroffen, den Elfer verschossen, die Pflanzen fremder Menschen gepflückt, schon heißt es, wheee (Comicgeräusch) Rolltreppe abwärts.

Meine ausgewiesene Expertise als renommierter, extrem akkurater und detailverliebter Gummibaummaler ist heute nicht mehr viel wert, ich sitze also weitgehend nutzlos meditierend hier in meinem Bachelor pad unter einer gut gepflegten Zimmerpflanze, drinke Blumenwasser, damit nichts austrocknet und höre etwas japanischen Freejazz zum schwarzen Jacket. Es ist ein ewiger Lockdown. Monat für Monat verlängerter Hausarrest, der Ausblick so wie in der Fotoserie der britischen Fotografin Julia Fullerton-Batten. Erwartung im getrübten Licht.

>>> Julia Fullerton-Bartens Webseite