Sonntag, 19. November 2017
Wie eine vergessene Maya-Pyramide ragt sie aus Baumwipfeln hervor, Betonbrutltecl, und fast hätte ich vor Jahren dort gegenüber mal gewohnt, als ich dringend eine Wohnung suchte, also sehr dringend, und auf meinem zahmen Elefanten in den Dschungel ritt. Aber weil es ein regnerischer, dunkler Tag war und der Weg zu dieser Wohnungsbesichtung durch endlos lange, von flackernden Neonlampen minderbeleuchteten Gängen führte, an meterdicken, vom Regen noch grauer angelaufenen Betonmauern vorbei, drehte ich gleich wieder um. Etwas besseres als den Tod kann ich überall finden, so dachte ich.
Heute ist das Ensemble ja schon fast wieder schön in all dieser feindseligen, erdrückenden Pracht. Zum Glück ist es Beton! Wie andere Pyramiden auch ein Zeugnis einer vergangenen Zeit, aber bevor jetzt am Ende noch Touristen kommen, reißt man es lieber schnell ab. So nagen seit einigen Monaten Bagger und Raupen und anderes schweres Gerät an den Außenmauern. In den Schubladen von Großbaumeister T. liegen sicher schon verschiedene Varianten immergleicher Glaskuben bereit, hier weitere Klötzchen hinzukötteln, von denen die Stadt bereits weitflächig und schwer verdaulich zugeschissen ist.
Ab und an schaue ich mal vorbei und überlege, ob es nicht eher eine Art Hamburger Schloß Neuschwanstein ist. Der fiebrige Betontraum eines Blade Runner-Architekten, die Trutzburg einer hanseatischen Tyrell-Corporation, um die nachts Hovercraft-Taxis schweben und Androiden ihre Schöpfer suchen. Ich könnte dort wohnen, in aller Mordsseelenruhe, nachts im Regen auf der Terrasse stehen und die Lichter der Stadt auszählen, die Musik schön laut drehen und ab und an Wein aus den hauseigenen Betontanks holen. 500 oder 5000 Zimmer voller Möglichkeiten.
>>> Geräusch des Tages, New Order, Truth