Sonntag, 5. März 2017


Radionotizen (für den Rand)




Was passiert, wenn man sich den Rücken nicht regelmäßig schrubbt, sieht man hier. Man wird zu Zaratan, die Schildkröte, die die Erde trägt. Eine Rückenbürste hingegen ist wie einen Menschen kennenlernen: Erst ist sie kratzig, danach und je öfter man sich miteinander beschäftigt, wird sie ganz weich und anschmiegsam. Obwohl, bei Menschen ist es, glaube ich, anders herum.

Als ich gestern im Ankleidezimer stand, um mich für die Nacht fertig zu machen, riß mein Lieblingspullover beim Ausziehen am Ärmel ein, kurz hinter dem unterem Saum. Er ist offenbar mürbe geworden über die Jahre, da ich ihn trug. So ähnlich also sind wir uns geworden, wie Herr und Hund, ein brüchiges Paar. Es ist, wie bei den Menschen, alles so vergänglich geworden.

Die Musik von Steve Reich macht mich ganz ruhig. Endlose Repetitionen, Schleifen und Variationen, alles sehr präzise, strukturiert. Es gibt eine schöne Ausgabe drei seiner Alben, mit einem Booklet mit Fotografien von Barbara Klemm, die dort Musikarbeiter bei der Arbeit zeigt. Dabei entspannt durch Zeitschriften blättern oder Politur auf Möbel auftragen, die Blumen gießen. Stille halten.

Lange kann man die Sonntagsnachmittage nicht mehr unschuldig daheim verbringen. Die Sonne drängt hervor, es regnet nur noch nachts, die Vögel haben schon Konzertanfälle. Man klebt dann wie ein Gecko an der Scheibe und wird das Haus verlassen müssen, hinaus zu anderen Menschen, von denen nicht alle eine Rückenbürste benutzt haben werden.

Zum Glück kann man jetzt schon die neue Herbstmode vorabbetrachten. Herr Yamamoto hat wie ein Steve Reich der Mode in vielen Variationen des Themas "Schwarz ist das neue Schwarz" etwas zusammengestellt fürs augenberuhigte Friedhofspicknick. Wo Pullover reißen, ist ja auch Platz für Neues. Noch heißt es, sechs Monate warten. Aber dann kommt wieder die schöne Zeit.

>>> Geräusch des Tages: Steve Reich, Music for 18 Musicians