Montag, 21. März 2016


Dorfbesuche




Es ist anderen schwer verständlich zu machen. Aber vier Stunden mit dem Zug, das ist für mich tatsächlich ein kleiner Meilenstein in Sachen Mobilität und Radiuserweiterung. Stand ich doch in den letzten Jahren bei solchen Dingen eher wie ein Kindergartenkind mit umgehängter Brotbeuteltasche, auf der vorne ein lustiger Elefant aufgestickt ist, in Türkis aber, an einer geräuschvoll befahrenen Straßenkreuzung. Im kleinen Kopf und mit engerem Herzen und gut gefüllter Buxe durchrechnend, ob ich die Überquerung durch reißende Automobilstromschnellen wagen solle oder nicht.



Aber nachdem ich letztes Jahr ein paar mal die Reise in die große Stadt nebenan geschafft hatte, aus wohlmeinenden Gründen meist, Neugier oder zum Geburtstagsuntertauchen, wollte ich 2016 auch einfach mal ins entferntere Dorf. Da steht mittlerweile viel rum, einiges ist auch weg, aber der Rhein ist - neuer Ofen, gleiche Pizza - immer noch da. Schön, wenn sich nicht immer alles ändert.



Düsseldorf kommt ziemlich sauber daher. Es gibt in den inneren Zonen auffällig wenig Getagge und Geschmiere. Auf den Straßen muß man Hundekot schon suchen. Vielleicht stammt aus Düsseldorf die Wendung, man trete "ins Glück", stapft man plump in Hundedreck. Gleich einem vierblättrigen Kleeblatt muß man wirklich suchen. Auch sonst liegt kaum was rum, und wenn sind es Kamellen. Olle Kamellen auch, um diesen Kalauer nicht unerwähnt zu lassen. Hallo Kalauer, willkommen in meinem kleinen Blog. Tritt ein, bring Glück herein! Jedenfalls mag auch Schlagerbarde Gus Backus einst sein Herz in Heidelberg verloren haben, in Düsseldorf geht das offenbar genau so gut.



Modestadt Düsseldorf, für die Dame wie für den Herrn. Wir kommen zu den Textilmitteilungen: Auf der Königsallee blitzen Prada-High-Heels in BVB-Farben, am Büdchen ("Trinkhalle") beugt sich ein in rosa Tüll gehülltes Funkemariesche weit nach vorn. Das Dorf holt den vom Wind verwehten Rosenmontagszug nach, Motto "You say Alaaf, I say Helau!". Schon morgens schieben sich die dekorierten Laster mit Brüllmusik an Bord zu ihrem Sammelplatz durch sonntagsmüde Straßen. Insgesamt wird sich deutlich gekleidet, Düsseldorf reiht auch Friseurgeschäft an Frisörgeschäft. Das kennt Hamburg nicht, würde hier ja auch jede künstlich zurechtgezupfte Frisur sogleich von s-teifen Brisen in Nord-Nord-Oost-Richutng onduliert werden.



Anders als in Hamburg, gibt es in Düsseldorf viel Kunst. K-hier, K-da, Kunstsammlung NRW, Forum Soundso, Kunstakademie, Kunst im Tunnel, Kunst am Trapez und Tingeltangel im Apollo. Im Ständehaus zeigt Alberto Burri flambierte Abstraktionen aus verschmurgeltem Plastikfolien, blutroten Stoffetzen und aufgeplatzten Asphalthäuten. Noch schöner aber die naturnahe Installation von Tomás Saraceno. Bei ihm bauen Kolonien von Opuntienspinnen ihre Terrassennetze. Die üben enge und wohl friedliche Nachbarschaft und schachteln ihre Netze wie in einer Reihenhaussiedlung versetzt übereinander. Nach und nach sind die Gewebe aus ihrem Kasten herausgewachsen, der aber - ja, spinn' ich denn? - gar kein Kasten ist. Unbedarft und atemlos vor Kunstberauschung wie ich manchmal bin, stehe ich nämlich dicht vor der Schauvitrine und habe schwupps die Kunst eingeatmet! Eine uniformierte Aufsichtsdame rauscht tarantelhaft augestachelt heran und erklärt mir was von "Keine Scheibe!" und "Abstand halten". (Die berühmte Armlänge!) Hicks.

Am Trinkertreff gegenüber von Walter Koenigs Buchgeschäft kann man gut ruhen. Wie ein vergessener Karnevalsprinz sitze ich in der Sonne, krame eine Stulle aus meiner Brotbeuteltasche mit dem aufgestickten Elefanten hervor und warte darauf, daß vorm Füchschen die Stühle rausgestellt werden.