Dienstag, 30. September 2014


2014: Das Jahr, in dem ich die 52 wieder schaffte



So. Wir dürfen den alten Schlager der englischen Beatkapelle The Kinks anstimmen. "Victoooria!" nämlich hallte es am Sonntag lange über endlose Radwege im wilden und - wie die Boulevardzeitung dieser Stadt schreibt - "unhippen" Stadtgebiet Hamburgs. Das Wetter war friedlich, so geschah es ungeplant, daß ich plötzlich kein Ende mehr fand und meinen persönlichen Mont Ventoux in Angriff nahm. 2012 legte mir diese Strecke so eine hübsche, kleine Leistungszielmarke vor. Eine Marke, die mir ehrlich gesagt, in den letzten beiden Jahren außer Reichweite gerückt schien. Aber, wie lautet die so charmante wie überhebliche unwiderstehliche Predigt: Wer will, der kann auch. Eben, Arschloch, Schatzis. Genau so.

Vorbei also voll auf Lunge pfeifend (aber allegretto) an tiefenentspannten Ziegen, überholt von ein paar Pedelec-Provokateuren (sozusagen das Photoshop des Radfahrens, ein einziges empörendes Fälschungswesen) bis hin zum bekannten Fährhaus, wo lederbezogene Biker ihre Maschinen wie chromblitzende Dominosteine eng an eng stellen. Raum und Zeit für eine kurze Gedenkvesper am Deich, Flußbeschau und Menschenbetrachtung. Dann zurück in die langsam herabsinkende Sonne, an auf Weiden niedergesunkenen Kuhherden vorbei und durch tiefergelegte Mückenschwärme, die sich unter den Bäumen am Radweg sammeln. Mein Hemd sieht aus bald wie ein Insektenrechen, alles voller Straßenverkehrspunkte. Meine Brille aber auch, den Mund halte ich ausnahmsweise geschlossen. Wie ein Walfisch Plankton schlürfend könnte ich mich nahrungsammelnd durch die milde Herbstluft schieben, nicht ganz so pfeilschnell mehr wie zu Beginn, aber mit munterem Tritt.

52 Km also. Auch wenn ich mehr Zeit dazu brauchte als vor zwei Jahren. (Deshalb ist mir unterwegs auch dieser Bart gewachsen, ich muß mich entschuldigen.) Aber umgerechnet auf ein schwerstählernes Hollandrad mit Gepäck und Fahrer sind das sogar viel mehr als auf einem Ultraleichtgeschoß. Sehr viel mehr. Mit der einfachen Formel Pi * Drehmoment geteilt durch Reifengröße multipliziert mit der Wurzel aus Packgewicht plus Windwiderstand (Punkt vor Strich und Klammer zuerst) kommt man da auf ganz andere Werte. Wenn man es denn erstmal in Ruhe durchgerechnet hat. Ich aber pfoff lieber ein Abendlied (nun aber adagio) und malte mir überbordende neue Ziele aus. Niemals klein denken! Das nächste Mal nehme ich ein fesches Görl auf dem Gepäckträger mit. Einfach so! Läßt sich sicher leicht in die Formel mit einbeziehen.

>>> Geräusch des Tages: The Fall, Victoria