Donnerstag, 6. Februar 2014


Anker werfen



In aller Herrgottsfrühe zog die Karawane, beladen mit Maschinenteilen, Stahlcontainern, chromblitzenden Werkzeugen, Knochensägen und kilometerweise Netzwerkkabeln, durch die Straßen der Stadt, nun ist die neue Fabrikhalle bezogen. Die Fenster unserer Montagehalle zeigen zum Hafen raus, die Kollegen rufen "Ein Schiff! Ein Schiff!". Ich sage, nach feinhistologischer Begutachtung geht das auch präziser und verweise auf den Hafenradar für eindeutigere Diagnosen. Vom Kapitän weitere gute Nachrichten. Der Tarif für Schauerleute, Gehirnchirurgen und Hafenarbeiter wurde erhöht, dieses "Meer" (Haha, Wortspiel!) lohnt allerdings kein Konto in der Schweiz. Es wird also in absehbarer Zeit, sollte mir steuerlich nicht siedendheiß etwas einfallen, keine gemeinnützige Stiftung Hoeneß-Schwarzer-Kid-&-Co. geben, zumal mit mir als moralisch überlegene Belehrungsperson sowieso kein Staat zu machen ist.

Mittags könnte man nun Muscheln, Hummer, Scampi oder Perlhuhn kaufen gehen, in der Umgebung ist aufwendig zum Chefarzttarif gedeckt. Alles Fisch, frisch & fein, nur finde einmal ein gut abgehangenes, solides Käsebrot, bei dem die Rinde vom erschöpften Liegen schon leicht welk und hart geworden ist. Hoffnung bleibt, daß das Hafenklang einen Punker-Mittagstisch (Menü 1: "Astra mit Kartoffel", Menü 2: "2 Astra mit Kartoffel") einrichtet für die Heizer aus dem Maschinenraum und dem anderen niederen, unter mottenlöchrigen Pferdedecken schwitzendem Personal.

Abends allerdings sind steile Treppen zu bewältigen, der Generationenvertrag wirkt leider nicht so weit, daß jüngere Kollegen mich Huckepack nähmen. Ich könnte ansonsten, eine kleine Reitgerte fuchtelnd, Hat-hat! wie Lawrence von Arabien die Hügel stürmen, mich dabei wacker auf den schwankenden Schultern der Nachwuchsriesen haltend. Allein, alles allein muß man machen.

Nachts allerdings bin ich früher zu Hause. Nach langem Dienst unter funzeligen, aber "intelligenten" Leuchten, und damit sind die Tischlampen gemeint. Die schalten ein, wenn man atmet oder mit den Augen blinzelt, so genau wissen wir das noch nicht. Die schalten ab, wenn jemand hustet oder sein Pausenbrot auswickelt. So genau wissen wir das nicht, aber ein Architekt soll den geheimen Plan dazu besitzen. Oder gedacht haben. Nachts also, wenn die Schiffe dann schlafen und mit ihren Lichtern übers Wasser winken, könnte man glatt hierbleiben wollen. Selber Anker werfen. Alles gut nennen. Erstmal.