Mittwoch, 31. Dezember 2008
Viele werden es gar nicht bemerkt haben. Aber so ganz schön fing es nicht an. Ein wenig, als wäre man spät aus einer Winterstarre erwacht, einem Erkennen entgegen. Bis die Sonne senkrecht steht, schattenlos und zwielichtfrei. Man plötzlich wie in einer schlechten Diskothek steht, den Hit de jour hört, dessen Refrain "I don't give a shit" heißt und eine Spur zu laut gespielt wird. Überhaupt immer dieses Laute, so als randalierten The Prodigy durchs Zimmer. Augen rollen, Ohren ziehen, Schulter zucken, selbstverständlich geht das auch besser, aber man schenkt sich halt nichts.
Nicht nur Augen reiben, Glieder strecken. Denn sich nicht mehr ausgebremst fühlen, hingehalten, heißt nicht nur Hänge runter, sondern auch Berge rauf. Ein neues Heim zusammengenagelt und gleich wieder verlassen: in die Nacht. Ein Schnaps, der zu rechten Zeit auf dem Tisch steht. Taten statt Warten: Durchtanzte Nächte, trunkene Runden, ein Picknick am Meer, in den Parks - und überhaupt die kleinen Reisen. Das merkwürdige Gefühl, wieder in Wien zu sein, nicht ganz bei sich, im Traum, in Therapie, nicht ansprechbar und dann doch so ansprechbar. Die verwunschenen Orte, die Freundlichkeit, das Sanfte, der stille Genuß. Die Menschen, denen das nicht eine Mühe ist. Danke.
Man braucht gutes Werkzeug, will man rostige Schrauben bewegen. Das Jahr brachte viele davon. Die Fahrten durch den Hafen, die Hedi nach langem wieder, die Sonnenuntergänge, zu denen eine Cowboy-Band singt, die Sorgenbrecher, dunkle Stuben, Tingeltangel. Atmen können, keine Ausflüchte, Ausreden, niemand, den man vom Sofa jagen muß: Be Young, Be Foolish, Be Happy. Endlich nicht der einzige sein, der die albernen Dinge macht. Danke.
Die Rückkehr in die große und mir wohl immer fremde Stadt. Zwischen Kunst und Hallo, die Angst, die Sorge, das Rückerobern, das Wiedersehen, die freundlichen Menschen. Danke. Überhaupt, die Kunst. Tolle Ausstellungen gesehen, interessante Menschen getroffen, neue Ideen getankt. Allein dafür Danke.
Was man liebt, muß man freigeben. Wenn zwei Schiffe auf Kaperfahrt sich begegnen, jeweils von den glitzernden Galionsfiguren des anderen fasziniert, eine Zeitlang Seite an Seite liegen. Und dann doch in verschiedene Richtungen segeln, vielleicht den ein oder anderen Enterhaken dabei, das ein oder andere Festmachseil übersehen. Man sieht sich noch, für eine Weile, fern am Horizont, bis die Segel immer kleiner werden und alles außer Sicht gerät. Wie man die Flaggen wechselt. Die Meere sind bekanntlich groß und Zufälle selten. Wir werden noch lange segeln. Am Ende aber, nachdem ich alle Planken neu zusammengesetzt habe und alle Splinte und Nieten kontrolliert, kann ich gute Reise wünschen. Und, auch das, Danke sagen.
2008 war auch das Jahr, in dem der Tod, sonst kein Gast in meinem Haus, sich wie eine skrupellose Mietnomade benahm. Zu jung, zu brutal, zu unverständlich. Hau ab, für dich Skandal ist hier kein Platz. Nachrichten nämlich sollen so romantisch und hoffnungsvoll wie diese sein.
Die Hoffnung, ein zartes Herz, trägt bekanntlich schöne Strümpfe, und da gehe ich gerne mit. Anderes sehen, eine neue Sprache lernen, weiter wachsen, langsam und nichts beschreien.
Tschüß, 2008. Du warst nicht das versprochene "super Jahr". Aber auch keine Schlunze wie 2007. Heimkommen, genau. Ein Jahr, in dem ich bereute und bereue, mir zwar nicht verziehen wurde, aber doch ein gutes Jahr, eins, das die Bremsen löste, viele schöne Momente brachte. Und nur die sind es ja, die man später erinnern wird.
Ich.
Ich lasse nachher im Hafen die Schiffe tuten. Hört genau hin.
Allen ein gutes neues Jahr.