Wir wollen nicht sein wie schädliche Tiere




Wenn man wie ich die Woche über hart mit eher weichen Sachen arbeitet, steht einem am Ende pflichtschuldigst erregt besungener Tage der erholungssehnsüchtige Hunger nach einem Ausflug in die Gebiete, die in der Stadt des weißkragigen Handels für industriell gehalten werden. Die meinem Stadtteil vorgelagerte Gewerbezone ist demjenigen, der gezwungen ist, seine Mittagspausen in Planten un Blomen oder an derAußenalster zu verbringen, ein sonntagsberuhigtes Elysium.




Schutt, Rost und hingefledderte Fernfahrerlektüre säumen die Wege, mein betagtes Hollandrad ächzt durch Splittermulden, aus denen Glas mir in staubiger Sonne entgegenglitzert, flirrendes Licht zwängt sich durch Maschendrahtzäune, ein melancholischer Rottweiler, der einen stillen Autohof bewacht, wufft mir hinterher, während ich juchzend, Wind bricht sich an meinen Ohrläppchen, so beschwingt geht die Fahrt, dem Geruch von altem Metall und Frühling entgegenreiteradle.




Ich bin das Schienenfahrzeug! rufe ich laut, eile an dösenden Monstertrucks vorbei, die schwarze Schatten werfen, durch die ich hindurchfliege, ein viel schwärzerer als sie, ein quietschender Vogel mit ausgeschlagenem Tretlager und zerschundenen Schwalbe-Reifen, die immer wieder Luft verlieren. Ein schöner Tag, die warme Luft läßt Farbe von den Wänden platzen. Die Menschen flirten wieder, wenn es denn hier bloß welche gäbe.

Ausfallschritt | 13:43h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Montag, 6. April 2009, 14:39
Der Reiz sonntäglicher Touren zu den backsteingotischen Basilikas des Industriezeitalters, den Metallverwertungsbetrieben und den Trucker-Imbissbuden wird sich nicht jedem erschließen. Das ist schon was für Kenner.

Ohne die hektische Betriebsamkeit und den Schwerlastverkehr von unter der Woche eignet dem Industriegebiet eine ganz spezielle melancholische Qualität. Ich darf an dieser Stelle bekennen, dass ich in den Mannheimer Industriegebieten auf der Friesenheimer Insel und im Industriehafen auch so manchen Radkilometer runtergestrampelt habe. Geht auch mit dem Rennrad, man muss nur aufpassen und runterbremsen, wenn Schienen die Straßen kreuzen.

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kid37 - Montag, 6. April 2009, 16:08
Eine Fahrt ins reine Nichts. Ein Meditationstempel ohne Reizangebot und Ornamente. Man wird den ganzen inneren Plunder los, der bleibt zurück wie die vielen plattgefahrenen verrosteten Getränkedosen. Kein Schatten vor der Sonne, man ist zurückgeworfen auf sich selbst. Ich meine, andere zahlen für so ein Zen-Wochenende im Kloster soundso viel Geld!

An einer Stelle muß man mit dem Rad ein Stück über die Gleise, auch so ein Moment, an dem man sich völlig rausgeworfen fühlt von der Zeit. Das könnten dann auch ganz andere Jahrzehnte sein.

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frl.deville - Montag, 6. April 2009, 14:57
Der Wind bricht sich an seinem quietschenden Vogel.
Jetzt isser verrückt geworden!

Womit bewiesen wäre: Sonne ist kein Placebo. Die wirkt ;o]

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kid37 - Montag, 6. April 2009, 16:04
Mit fliegenden Rockschössen und dabei Gedichte über den Frühling deklamierend!

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jean stubenzweig - Montag, 6. April 2009, 16:27
Hier rast die Poesie.

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sunny5 - Dienstag, 7. April 2009, 14:49
Hab es ihnen gestern gleichgetan und mich durch Baugruben entlang der Spree geschlagen. Mit einem Rad fast ohne Bremsbeläge. Heikle Sache. Keine Kamera dabei. Leider auch zuviel Betrieb dort. Danach ein paar Blogeinträge gelöscht, die mir zu nah waren ...

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kid37 - Dienstag, 7. April 2009, 17:10
Ah, habe ich gesehen. Macht ja nichts, mein Kommentar war eh off-topic. Baugruben an der Spree. Klingt nach einer unendlichen Geschichte.

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