Merz/Bow #63

2020. Dieses passiert. Und jenes auch. In den USA (das ist ein großes Staatengebilde in Nordamerika) läuft zur Zeit ein Extremzählwettbewerb (das ist wie Spelling Bee mit Zahlen), der uns, oder jedenfalls die Interessierten unter uns, möglicherweise noch nächstes Jahr beschäftigen wird. Bei 70 Millionen ist man schon, das ist eine 70 mit 000000. So viel hat der eine, den das interessiert. Der andere aber auch und ein paar mehr dazu. Und so vergleicht man dann.

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2018 bereits, ich bin ja Avant-Berater im Außendienst, habe ich in New York (das ist eine große Stadt in den USA) bei einem Wettbewerb in Extremmißmuting an einem interessanten Platz mitgemacht. Es waren 34 Grad im Schatten, dazu 500 Prozent Luftfeuchtigkeit, was die Angelegenheit in Sachen Mißmut für mich sehr vereinfachte. Ich erhielt 70 Stimmen, jemand anderes aber auch und ein paar mehr, so daß ich (ebenfalls mißmutig) einräumte, ok, hast gewonnen, ich gebe auf. So macht man das dann.

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Jetzt aber, hausgefangen im Hamburger Lockdown, habe ich aus lauter Langeweile den Expressionismus erfunden. Das ist wie mißmutig, aber als Kunstform. Mein erstes Gemälde heißt Lepscher Kapriolen und zeigt innere (aber auch äußere) Aufwühlung auf den Straßen einer Stadt. Ein Kritiker urteilte: "Das nackte Grauen", und das finde ich schön umschrieben.

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Vor ein paar Jahren, wir blättern zurück in die Vergangenheit, wies mich eine Leserin auf den Laden Song in Wien hin. Dort verkauft die Inhaberin ausgefallene Mode zu einfallsreichen Preisen und ist damit zu einer Kleidungsinstitution in der schönen Stadt geworden. Ich war ja dieses Jahr leider gar nicht Wien, nur einmal in der Modestadt Düsseldorf (ein "Hosen"-Zitat), aber nun hat Frau Song einen Bildband über ihr Archiv (sprich: der erweiterte Kleiderschrank) veröffentlicht und dazu dem Standard ein Interview gegeben.

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Das könnte ich auch mal machen. Ringel im Wandel der Zeit.

MerzBow | 19:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
herzbruch - Dienstag, 10. November 2020, 20:53
Ich erinnere mich nicht an einen jungen Mann im Ringelhemd, aber 2018 habe ich durchaus viel Zeit in einem Bürogebäude neben dem Trump Tower verbracht. Ich erinnere mich aber nicht an einen Missmutigkeitswettbewerb, wenn man in einem Bürogebäude neben dem Trump Tower eingeschlossen ist, startet man ja in haushoher Favoritenposition... Schade, ich hätte Ihrem Widersacher gern gezeigt, wo der Hammer hängt.

Und ich war erst sehr zwiegespalten und wollte nicht auf das verlinkte Video klicken, ich habe es immer gut geschafft, die Hosen auszublenden. Was aber sicher lustig ist, ist ein direkter Vergleich von "früher" (Ihr Link oben) und "später" (mein Link hier, ach verdammt, wie ging das gleich wieder?) Geschafft. Roland Kaiser ist nix dagegen!

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kid37 - Dienstag, 10. November 2020, 21:20
Ich war selbst erstaunt, wie rotzig die "Opelgang" früher mal klang. Heute verwischen tatsächlich die Unterschiede zum Kaiser. (Disclaimer: Habe immer noch nichts vom neuen Die Ärzte-Album gehört.)

2018 war das? Das wäre doch ein formidables Mimutigkeitsmessen geworden. Wie schade. Vielleicht gibt es irgendwo einen Klempner oder Landschaftsgärtner mit Parkplatz, der so ähnlich heißt. Dann können wir das nachholen. Merkt kein Mensch!

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fritz_ - Mittwoch, 11. November 2020, 00:48
Einigermaßen das Gesamtwerk von den Ärzten (ich sage nicht von die Ärzte!) aus Bärliiiin war spontan Gast bei meinem jährlichen Kehraus auf der Festplatte, was ein Mittelding ist zwischen digitaler Bücherverbrennung und Frühjahrsputz, Shift+Entf, wech. Sehr erfrischend.

Grad mal geschaut, ob ich Kaiser habe: ja. 9 Lieder in den Top 100 aus jedem der Jahre 1970 bis 2005, 2 Lieder sind doppelt. Kulturgut. Von Trump hab ich nur ein Lied 17-do_or_die-for_my_niggaz_(ft._traxster_trump)-musiq, der sagt auffällig oft muh'fuckin' muh'fuckas fuck motherfucka motherfuckin' fuckin'.

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herzbruch - Mittwoch, 11. November 2020, 09:05
Ich fühle mich im Kreise derer, die das Gesamtwerk der Ärzte (jaja) löschen und Roland Kaiser doppelt behalten, nicht wohl.

Hier in Düsseldorf gibt es gute Baumärkte, auf dem Parkplatz eines davon war ich vorgestern. Dort ist auch viel Publikum. Wenn wir bald wieder echten Lockdown haben, heimwerkert Deutschland endlich auch wieder.

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kid37 - Donnerstag, 12. November 2020, 12:39
@ fritz_: Sie haben einen eklektischen Musikgeschmack, den Kaiser nehme ich ja als Phänomen war, in meine Sammlung käme er wohl nicht. Würde aber gerne mal ein Lied für ihn komponieren. "Laß doch mal gut sein" oder "Wir streiten jetzt ein letztes Mal" wäre ausbaufähige Titelideen.

@ herzbruch: Muß ja demnächst mit Fahrrad zum Baumarkt, da werde ich Vorfeldforschung betreiben. Vielleicht singe ich spontan ein mißmutiges Lied.

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fritz_ - Donnerstag, 12. November 2020, 14:57
Vor dem Aufräumen muss man keine Angst haben, das ist nicht religiös aufgeladen, es hört auch nie auf. Der ganze alte Schrott muss raus, wie einer so keck gesungen hat, und neuer Schrott muss rein, wie der Sänger voreilig gleich mit gesungen hat.

Schlechte Bücher, die Hälfte aller Klamotten und Utensilien, Musik, die einen nicht glücklich macht. Kann weg, muss weg, damit man nicht mißmutig wird. Die Seele jeder Ordnung ist ein großer Papierkorb/die Ordnung der Seele ist ein riesengroßer Papierkorb.

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kid37 - Donnerstag, 12. November 2020, 16:06
Da ist natürlich was dran. Das große Kehraus, wie man es ja als Ritual zum Jahresende pflegt ("ring out the old/ring in the new"). Ich schichte immer meine Bücherregale um, es wird allerdings nie weniger. Festplatten hingegen sind ja geduldig, gelöscht wird da kaum was. Sie sind allerdings auch labyrinthisch, ich finde auch kaum was wieder.

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fidibus - Dienstag, 10. November 2020, 21:13
Die Farben Ihres Gemäldes sind überraschend unnovembrisch.

(Das Wiener Bekleidungshaus schüchtert mich bereits optisch ein, hätte da Schwellenangst.)

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kid37 - Dienstag, 10. November 2020, 21:22
Den Fauvismus habe ich gleich miterfunden! Mein Leipzig-Zyklus wird mal weltberühmt! Und dann nur noch Klamotten von Song. (Ich hab da Kreditkartenlimitangst.)

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frau eff - Mittwoch, 11. November 2020, 19:31
Ich enthalte mich aller Frisurkommentare und möchte anmerken, dass ich bei Ihnen gelernt habe, dass Extremmißmuting Humor beinhaltet. Das wusste ich nicht. Jetzt sieht die Welt ganz anders aus (für mich). Danke!

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kid37 - Donnerstag, 12. November 2020, 12:40
Da ich zuvor in der Murray Street war, wo Sonic Youth mal ihr Studio hatten, nenne ich es meine Lee-Ranaldo-Gedächtnisfrisur.

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