Hallo, Vermittlung?!



Ich finde hier keinen Kontakt. Ich finde hier keine Verbindung. Das verdammte Elefon rührt sich nicht. Die Leitung ist... tot.

Während also in der Vermittlungszentrale junge Damen auf Rollschuhen mit Kabeln hin- und herdüsen, um - hoffentlich! - einen Anschluß herzustellen, muß ich hier Akten sortieren und Leitungen prüfen. Ein von mir soeben selbst erfundenes, weltberühmtes Sprichwort besagt immerhin, wo man keinen Anschluß findet, gibt es oft die schönsten Verbindungen. Auch diesen Gedanken kann man sich ruhig wie ein Pfefferminzbonbon auf der Zunge zergehen lassen.

Ich habe in der Hinsicht mittlerweile eine ganze Packung auf. Zerflossen im Mundraum wie eine alte Liebe oder wenigstens wie ein süffiger Gedanke, den man besser für sich behielt. Sparen oft an falscher Stelle, andererseits, wie schnell bohrt ein Witz bei anderen sich durch die Rüstung. Soll ja nicht so enden wie bei Herrn Burroughs, der bei der eigenen Frau bekanntlich und zum Nachruhm der Weltliteratur das Wilhelm-Tell-Spiel probierte. Mit tödlicher Pointe, ein fehlgeschlagener Apple-Witz vor der Zeit.

In der tonlosen Zeit diktierte ich seitenlange Briefe an die Vergangenheit, schichtete neuerworbene Bücher zu kleinwüchsigenhohen Stapeln, feilte und raspelte ein wenig an der Zunge herum, um lange Diskussionen abkürzen zu können und kämmte mir brav das Haar, um ansonsten einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wenn sonst schon nichts bleibt.

Dann sind mir Dinge aufgefallen, die ich ebenfalls nicht elefonisch durchgeben konnte. In den Jahresrückblickfragebögen werden allerhand Sachen abgefragt, Haarlängen, Kuchenbackfähigkeiten, Sexuelles oder gar Intimes. Aber nie: Wieviele Schuhe hast du gekauft? (ca. zehn Paar) Wieviele Gedichte hast du auswendig gelernt? (eins, selbstgebacken) Wieviele Kunstwerke hast du gekauft? (Zwei)

Und dann war plötzlich Februar. Willkommen, Februar. Sag Hallo.

Homestory | 21:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
montez - Dienstag, 10. Februar 2015, 21:16
Grad hab ich an Sie gedacht! Zehn Paar? Mon Dieu.

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kid37 - Dienstag, 10. Februar 2015, 21:27
Na ja, so - wie sagen so Macher-Typen aus der Wirtschaft? - roundabout. Drei gingen dafür raus, bin ich sieben im Plus (3,7). Geht sich aus, finde ich.

Sie haben an mich gedacht? Wie schön. Und ganz ohne Elefon!

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gaga - Mittwoch, 11. Februar 2015, 01:24
Elefonieren wird überschätzt. Und Diktiergeräte.("diktierte ich seitenlange Briefe an die Vergangenheit") Und Vergangenheit. Man muss es schon alles ehren, auch die Hinterlassenschaften und Errungenschaften. Bis man es genug geehrt hat. Kann aber manchmal dauern. Ich weiß das. Aber man kann mit den meisten Sachen fertig werden. Das ist die gute Nachricht.
(übermittelt mit Flüstertüte!)

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kid37 - Mittwoch, 11. Februar 2015, 20:43
Hier wird Posten für Posten mit Bleistift HB abgehakt. Danach nur noch mit Feldelefon mit Kurbel und Standleitung geklärt.

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kid37 - Donnerstag, 12. Februar 2015, 11:45
(Die abgebildete Elefonzelle befindet sich übrigens in Wien.)

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ladys smock - Freitag, 13. Februar 2015, 10:29
Liebe Frau Gaga,
diese Ihre Zeilen werden hier in Wien ausgedruckt und auf einem riesigen Plakat im Wiener Haus drapiert ! Große Kunst - Danke! (natürlich auch Ihre Kunstwerke der angewandten Misanthropie, Herr Kid - ich möchte Ihre Elefonelaborate nicht schmälern!)

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novesia - Freitag, 13. Februar 2015, 18:34
Waren Sie etwa nicht nur heimlich in Berlin, sondern auch in Wien? Da wär ich aber böse beleidigt! (Wo ist dieses Elefon denn überhaupt? NIe gesehen.)

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gaga - Freitag, 13. Februar 2015, 19:21
(Oh... in und ausgedruckt in Wien... ich bin arg gerührt. Wo ich doch unlängst im Mai erst begriffen habe, wie schön es da ist (war vorher nie da) und fast die ganze Zeit danach noch damit beschäftigt war, das Erlebnis in Wort und Bild zu verarbeiten.)

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kid37 - Samstag, 14. Februar 2015, 00:35
Der Zukunft zugewandt, so kennt man mich. Ich werde diese Ausdrucke in nächster Zeit eigenäugig überprüfen. Ich wäre schon früher gekommen, hatte aber meine Flanierkarte für den Opernball verlegt.

Frau Novesia, nein, das Foto ist noch vom letzten Besuch. Ich war ja nicht so fleißig wie Frau Gaga und habe die letzten Monate gar nicht richtig aufgearbeitet! Aber jetzt habe ich neue Schuhe, da kann ich wieder kommen. (Das ist im - keine falschen Vorstellungen bitte - Lusthaus.)

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novesia - Samstag, 14. Februar 2015, 06:59
Ah, danke (auch für die guten Aussichten).

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schneck - Donnerstag, 12. Februar 2015, 11:27
2 x Kunst gekauft. - Es gibt sie also noch, die Kunstkäufer. Ich sage berufsstandstellvertretend Großes Danke! (und gratuliere ergänzend zu 10 Paaren Schuhwerk.)

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kid37 - Donnerstag, 12. Februar 2015, 11:48
Kunst hat so eine beruhigende Beständigkeit was man ja von Menschen nicht unbedi, die gehört in jedes Heim. Überhaupt bin ich der Meinung, einen Mann erkennt man an gutem Schuhwerk und ebensolcher Kunst. Ein Emailleschild fehlt mir vielleicht noch.

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ana - Sonntag, 15. Februar 2015, 17:27
Ich lese manchmal sogar Briefe aus der Vergangenheit. Bei zwei "Autoren", der eine eine lange Liebe, der andere ein langer Freund, merke ich, wie fremd mir der Ton und Stil der beiden inzwischen geworden ist. Aber für die gilt mittlerweile, kein Anschluss unter meiner Nummer. ( Die Verbindung haben sie zum Glück für mich zuerst mal selber unterbunden. )

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kid37 - Montag, 16. Februar 2015, 21:18
Das kann erschreckend sein, wenn man Menschen, die man früher sehr geliebt hat, wieder begegnet. Nicht alle haben sich positiv entwickelt. Manche einfach nur arrogant.

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