Dias de los Muertos



Ich mußte mal für eine Woche die Füße still- und hochlegen. Ein- und Aussortieren, Zielbestimmungsforschung in den Kellergewölben (Sachen, die ich bewahre, Sachen für Basare, Sachen für den Tauschtisch, Sachen wie "kenn ich nich"), auch den metaphorisch gemeinten. Stapel von links nach rechts schieben und letztlich den Abfluß der Spüle reparieren.

Dann Geburtstag: Zum Frühstück Pakete öffnen, interessante Bücher bekommen, darunter: Rocko Schamoni, Fünf Löcher im Himmel, Marcel Mathiot, Die erotischen Abenteuer des Monsieur Mathiot: Bekenntnisse eines späten Liebenden, Eduard Betz, Philosophie des Fahrrads (urspr. 1900). Außer Konkurrenz zum Nicht-Geburtstag noch zwei Bücher über Wien, nämlich Wittgensteins Wien und Der Tschocherl Report: Die unbekannten Wohnzimmer Wiens, worüber ich mich sehr gefreut habe.



Dann mal das Blog abgeschlossen, mit einer Twitterin in einem eisigen Café gesessen und mich anschließend erkältungsbereit gefühlt. Zum Abschluß des Tages im Dunkel der Wohnung mit dem Kopf vor einen Mikrofonständer geknallt - die Folge war eine zickzackförmige Narbe auf der Stirne wie bei einem verwaisten, englischen Zauberlehrling und ein Dröhnen, das wie ein lästiger Ohrwurm ("Chici Chi - Chici Cha") meinen Kopf nicht mehr verlassen wollte. So lag ich dann im Bett, eine Wärmflasche im Rücken gegen die Cafékälte und einen Eisbeutel auf dem Kopf. Das ging doch früher alles mal anders mit dem Geburtstagsfeiern! Als man von heißen Bräuten (darf man "Bräute" sagen? Was ist denn jetzt politisch korrekt? "Ischen"? "Miezen?" Katzen gehen doch immer oder?) gewärmt und Eisbeutel nur gegen den Kater (Katzen gehen immer, sage ich doch!) auf dem Kopf balanciert wurden.

So war das und nicht anders und dann die weiteren altersgeplagten Tage. Regelrecht ausgeknockt nämlich lag ich da, in regelmäßigen Abständen den Totmannschalter drückend, während sich Kopfschmerzen unter meine Schädeldecke gruben und weitere Entspannungsaktivitäten verhinderten. Wie zerebral überwachte Reparaturen im Haushalt oder das Abdichten der Sturmfenster hier an meiner Geriatriestation meinem Wasserschloß.

Pünktlich zum Tag der Toten war ich wieder auf den Beinen, gibt doch wenig so viel Pep wie ein Zuckertotenschädel. Im Museum für Völkerkunde wird jährlich das mexikanische Totenfest gefeiert, da gibt es was zu Essen, zu Staunen und bunte Reliquien zu erwerben. Wie einen Frida-Kahlo-Schrein beispielsweise oder kleine Skelett-Mariachi-Bands. Kinderschminken nicht vergessen, was mir ermöglichte, das Museum ebenso unerkannt wie angemessen als bleicher Schmerzensschädel zu verlassen.

Homestory | 00:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
gaga - Mittwoch, 5. November 2014, 00:41
Was mir ganz stark Hoffnung machen würde (also nicht MIR, sondern wäre ich die Beschenkte gewesen) ich ganz stark als Zeichen interpretieren würde, ist, dass unter der vielfältigen Lektüre ein Buch mit erotischen Abenteuern als passendes Präsent erachtet wurde. "Bekenntnisse eines späten Liebenden". Als Metapher vielleicht ein bißchen anmaßend (es gab ja vermutlich ein Leben irgendwann vor dem Geburtstag), aber solche Geschenke sind durchaus als - äh - wie soll ich sagen - Wink zu verstehen. Mir wäre das vielleicht ein bißchen zu direkt, aber Männer wissen solche Hinweise sicher zu schätzen. Ich finde übrigens, so als Erwähnung nebenbei, macht sich Wittgensteins Wien unheimlich gut. Sophisticated halt! Man hat auf jeden Fall an Sie gedacht. Hoffe, die Runenritzung auf der Stirn hinterlässt keine langfristigen Spuren. Wird ja leicht falsch interpretiert.

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kid37 - Mittwoch, 5. November 2014, 21:29
Laut Klappentext geht es um einen 90-Jährigen, der noch mal lustige (oder war es "lustvolle"?) Begegnungen mit einem fidelen Damenquartett unterhält. Ich halte das auch für ein gutes Zeichen. Ist zwar noch 53 Jahre hin, aber man will ja auch ein Ziel haben. Bis dahin werde ich, gefurcht und vernarbt, lässig Wittgenstein zitieren und damit "Oh" und "Ach" hervorlocken.

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gaga - Donnerstag, 6. November 2014, 01:01
Ich stelle mir gerade bildlich vor, wie Sie in einem mit purpurnem Brokat bespannten Ohrensessel über den (dereinst) goldenen Brillenrand hinweg (und selbstverständlich ohne den geringsten Anflug von Doppeldeutigkeit) dozieren "Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die Gesamtheit der Naturwissenschaften!" (umringt von wissensbegierigen Studentinnen der Philosphie in - - natürlichem Zustand)

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vert - Mittwoch, 5. November 2014, 02:09
sich den kopf an einem mikroständer zu dellen gilt gemeinhin aber eher als coole blessur, würd ich mal sagen.

(glückwunsch zum 37., nachträglich!)

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maphisti - Mittwoch, 5. November 2014, 03:19
Ja, ja, diese Na(r)ben! Hat sich da eventuell ein Fampier ein wenig verbissen? Vielleicht wollte er aber auch einfach mal etwas Anderes schlecken als immer nur diesen so roten Saft?

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kid37 - Mittwoch, 5. November 2014, 21:26
Hinter meiner Stirn ist nichts zu holen außer Mondlicht und finstere Träume.

Herr Vert, I'm a Punkrocker, yes I am. (Bruised & battled.)

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vert - Freitag, 7. November 2014, 04:22
weitermachen.

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wortmischer - Mittwoch, 5. November 2014, 09:51
Politisch korrekte "Bräute"? Also bitte! - Bei Ihren vormaligen Geburtstagserfahrungen handelte es sich doch sicher um "Sozialkontakte im Close-Coupling-Bereich mit Personen weiblicher Gender Role".

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kid37 - Mittwoch, 5. November 2014, 21:24
Diese Menschen haben in meinem Sozialgefüge eine Leerstelle hinterlassen.

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mark793 - Mittwoch, 5. November 2014, 15:21
Hm, mit dem Mikrophonständer kollidiert. Das wirft natürlich Fragen auf bei der musikinteressierten Restbevölkerung: Arbeiten Sie heimlich an Ihrem Comeback?

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kid37 - Mittwoch, 5. November 2014, 21:23
Es war ja so, daß damals mein Wechsel ins sogenannte ernstere Fach flopte mit dem ambitionierten Chansonalbum "La Vie d'un Regieassistent". Darauf enthalten der nur wenigen Menschen bekannte Kneipen Lokalhit "Und dann gingst du mit dem Kameramann". ("Am Ende/Das war das Ende/Gingst du hinaus/Mit dem Kameramann" - Übrigens A-Moll, F-Dur, C7 für diejenigen, die das auf der Gitarre begleiten möchten.)

Nun möchte ich mich aber noch mal räuspern. Vielleicht wird es eine Nachwelt geben, wer weiß das schon? Nach dem Dia de los Muertos bin ich unsicher in solchen Dingen.

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maphisti - Mittwoch, 5. November 2014, 23:12
Als ehemaliger Intimus dieses Genres erinnern Sie sich sicherlich an den berühmten Geiger ohne Rat und an die Frau hinter dem Cello? Einfach zeitlos diese Leute.

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kid37 - Mittwoch, 5. November 2014, 23:34
Ich war mal mit einer seiner Freundinnen Kaffeetrinken im Hotel Atlantik. Näher möchte ich ihm und seiner Musik aber auch nicht kommen.

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maphisti - Freitag, 7. November 2014, 11:41
Man kann da vielleicht leicht etwas verstehen miss?!

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