Nur die Zukunft ist mißraten

Wir spülten nie, außer wir wollten
würdevoll und selbstzerstörerisch wirken.

(Mirada July. Zehn Wahrheiten.)



Vor ein paar Wochen, während einer dieser leblosen Krankenlagertage, habe ich noch mal das Phänomen Miranda July hin- und herbedacht, sehr wohlwollend, wie ich betonen möchte, weil ich sonst ja gerne spontan darin bin, lange Listen herunterzurattern von Leuten die ich nicht mag. Bestimmte Schauspieler etwa. Oder Autoren. Oder Musiker. Nur Blogger, die mag ich alle. Vergleichbar fällt es den meisten Menschen schwer, Miranda July nicht zu mögen, selbst die Brigitte schreibt über sie, was nicht häufig vorkommt, wenn wir über Performance-Kunst reden. Nun macht die July nicht nur Performance, sondern alle Arten von Kunst. Manche sagen, sie selbst sei die Kunst. Sie trägt hübsche Kleider Sie schreibt Bücher, mit so zart-lakonischen Geschichten, daß man sie für Schneeflocken halten könnte. Wären da nicht ganz viele sandpapierartige, rauhe Stellen darin. Oder bringt wildfremde Menschen zum Erzählen, wie in ihrem neuen Buch It Chooses You (jetzt auch auf Deutsch erschienen). Was ja auch eine Kunst ist. Menschen zum Reden zu bringen. Geschichten zu entdecken und darüber etwas vom Leben für sich selber abzustecken. Zu sagen, weiß ich nicht genau, aber anders wäre es auch... unbestimmt. Vor ein paar Jahren gestaltete sie eine Ausgabe des Schweizer Magazins Du, wobei sie selbst völlig verschwand und eine Spurensuche präsentierte, bei der Freunde, Weggefährten und Nachbarn nach ihr und ihren Gewohnheiten befragt wurden. Ein interessantes Experiment darüber, wie sich eine Person aus lauter gespiegelten Beobnachtungsfragmenten ihres sozialen Umfelds zusammensetzt. Man kennt das aus diesem Internetz.

Dann dreht sie Filme, von denen ihr Debüt Ich und du und alle, die wir kennen ganz wunderbar und zart und auch sandpapierartig ist. Eine poetische Erzählung über staksige Menschen, mit schrägem Humor und voller peinlicher Momente, aber ohne Arg und Häme beobachtet. Zum Glück kennt den Film jeder, und die Welt ist danach auch ein Stück besser und gütiger geworden.

Mißlungen allerdings ist der Nachfolger The Future, ein mäßig fokussierter Film über das ungelenke, nervtötende Herumgegurke zwei Mittdreißiger, die sich zu nichts so recht entscheiden können und das Ende ihrer Beziehung aussitzen. Dazu mit vielen Albernheiten (diese sprechende Performance-Katze, also wirklich) gespickt und einer grandiosen kleinen Szene, die es aber bezeichnenderweise nicht in den Film geschafft hat. Miranda Julys Tip für alle Zauderer und Hinauszögerer und -schieber. Auch das hier vor Jahren mal vorgestellte "Are You the Favourite Person of Anybody?" geht auf ein Skript von ihr zurück. Ein sandpapierzartes Stück über Unsicherheit, Ungewißheit und sozial kaschierte Verzweiflung. Und über Orangen.

Super 8 | 13:12h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Mittwoch, 19. Dezember 2012, 15:30
(...) lange Listen herunterzurattern von Leuten die ich nicht mag. Bestimmte Schauspieler etwa. Oder Autoren. Oder Musiker.

Das wäre jetzt eine Super-Vorlage, die Max-Goldt-Keule herauszuholen und draufzudreschen auf die Erbärmlichkeit von Popkulturgesprächen, die aus der ständigen Bekundung bloßer Vorlieben und Abneigungen bestehen: "Ja, den find ich gut, aber den find ich eher nicht so gut - es sagen zwar alle, daß der wahnsinnig gut ist, aber ich weiß nicht, ich find ihn eher überschätzt, aber vielleicht nicht so sehr überschätzt wie den und den..."

Aber dergleichen hatten Sie ja sicher nicht im Sinn.

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ksarco - Mittwoch, 19. Dezember 2012, 16:46
@mark793: .. wäre doch gewiss Laaberei .. Sie wissen sicherlich : " Silence is golden, golden .." .. und über diese Brücke ..

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nnier - Mittwoch, 19. Dezember 2012, 17:43
Sie sagen es. Golden.

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kid37 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 11:36
@Mark: Ich bin ja beruflich von lauter Nerds Experten umgeben. Da erlebe ich solche Gespräche täglich. "Nicht sooo toll. Aber auch nicht so schlecht, wie man meinen könnte. So zwischen mißglückt und gut gemeint. Oder besser, ganz ordentlich mit vielen Fehlern. Aber im Vergleich... der andere ist ja noch schlimmer. Wobei der auch nicht schlecht ist. Hätte aber mehr draus werden können." usw. usf.

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prieditis - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 12:22
"Als den/die/das noch keiner kannte, fand ich den/die/das besser"

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mark793 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 14:10
Herr Kid, hatte mir schon gedacht, dass Ihnen dergleichen nicht ganz unbekannt sein dürfte. Aber beruflich ist ja doch nochmal ein anderer Schnack als in dem Max-Goldt-Dramolett, dessen Kritik an Popkulturdiskursen mehr so auf abendliches Rummeinen am Szenekneipentresen zielt. Kann man freilich auch als Metapher fürs im-Internet-Rumlabern lesen. ;-)

@prieditis: Oh ja, ich fand **** ja auch besser, als sie noch in kleinen finnischen Clubs gespielt haben.

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 14:56
Maxi steht da weit über.

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mark793 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 15:04
Möchten Sie mir damit irgendwas sagen?

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 15:29
Würden Sie es wohl wollen?
Scio me nihil scire.

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mark793 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 16:39
Ich sag mal so: Auf meinem Wunschzettel für Weihnachten steht anderes. Aber das gehört jetzt nicht hierher.

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 17:30
Mirco
Ho, ho, ho ! "Like a hero".

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kid37 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 17:49
Sagen Sie mal, Frau Sarco/zy, dieses permanente sich Ausstellen und sinnfreie Provozieren in fremden Blogs - dient das einem höheren Zeitvertreib oder stammt es mehr aus dem Bereich einer Übersprungshandlung?

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 19:07
Weder-noch. Bitte, was stelle ich aus? Und : Alles hat seinen Sinn.

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nnier - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 22:27
Z.B. hat es vermutlich einen Sinn, dieses Ausstellfenster für ein Weilchen zu schließen.

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montez - Freitag, 21. Dezember 2012, 15:13
Ich bin die mit den kleinen finnischen Clubs.

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c17h19no3 - Mittwoch, 19. Dezember 2012, 17:06
miranda july ist eine meiner umwerfensten entdeckungen 2012. zehn wahrheiten ist simply amazing.

the future: streckenweise war ich verzaubert, oder angenehm verwirrt, streckenweise aber auch gelangweilt.

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kid37 - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 11:32
Vielleicht funktioniert "The Future" auch besser, wenn man den ersten Film nicht kennt, den ich ungleich charmanter fand. Der Nachfolger ist dann so ein bißchen ein let down.

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 12:23
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ana - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 18:29
Ich schenke ja jedes Jahr meinem Freund einen Filmadventskalender. Für heuer kommt der Tip zu spät, aber nächstes Jahr wird ein Türchen, eigentlich ein Päckchen "Ich und Du, und alle, die wir kennen" sein. ( Da ich hoffe, in stabilen Verhältnissen zu leben, habe ich den Film, ehe ich den Tip bis nächsten Winter vergesse, gleich via Internet bestellt. )

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- Donnerstag, 20. Dezember 2012, 22:40
(Trollbeitrag durch Blogger.de-Admin gelöscht.)

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ksarco - Donnerstag, 20. Dezember 2012, 23:10
Errare humanum est.
Ver-/ geirrt? Nich so schlimm.

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