Freitag, 25. September 2020


Wetterfühlig



In der wie nur an ungeraden Tagen unter der Hand weitergegeben hefegenährten Sauerteigspeise von vitalen, jungen Nacktschwimmerinnen kultisch verehrten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr kommen wir heute zu einem bedauerlichen Vorfall. "Nur tote Vögel fliegen in den Strom", heißt es bekanntlich. Doch dieses lebensgedrosselte Exemplar fiel nicht etwa einer Überlandleitung oder einer Uploadsperre zum Opfer, schon gar nicht einem Windrad, sondern dem motorisierten Straßenverkehr an einer Hamburger Ausfallroute. Wie ein Menetekel liegt die Zippe nun an der Wand, ausgesungen hat diese Turdus philomelos, denn siehe, es ist die Zeit, da die Vögel vom Himmel fallen und die Fische bäuchlings nach oben schwimmen. Die Jahreszeit der Melancholia bricht an.

Epidemische Seuchen können wir in der Regel vorhersehen und vermeiden; Sturm, Pest und teure Zeit sagen unsere Astrologen voraus; Erdbeben, Überschwemmungen, einstürzende Häuser, verheerende Feuersbrünste kommen Schritt für Schritt, oder kündigen sich durch ihr Getöse an; Unrecht, Betrug, Kränkung und Schurkerei der Menschen aber kann keine Kunst der Welt umgehen.

So schreibt Robert Burton (1577 - 1640) in seiner berühmten Abhandlung Die Anatomie der Melancholie (1621 ff.). Zischelwinde schleichen ums Haus, etwas Kühles greift unter die Kleider. Menschen tragen Masken und bleiben auf Abstand. Jetzt heißt es Abhärten, Speicher füllen, den Gesang einstellen. Unsere Kreise werden enger. Paß auf, paß auf, paß auf.

>>> Geräusch des Tages: Titanic Orchestra, Songe d'Automne


 


Montag, 1. Januar 2018


Na, dann Prost.



In der von hormonumwölkten pubertierenden Jugendlichen wie eine Teenagergesangstruppe parareligiös verehrten, hosenbundlockeren Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr kommen wir gleich zu Beginn eines neuen solchen zum geräucherten Fisch.

Den haben sogenannte "lustige" Gesellen auf der Straße andekoriert. Wie das hier in Norddeutschland so ist. Aber auf diese Weise spricht der notorisch stumme Geselle umso lauter. Gar nicht wie der sprichwörtliche fish out of water, sondern wie eine singende Sirene aus den dunklen Tiefen des Meeres frivoler menschlicher Begierden warnt er wie eine kritisch bedruckte Zigarettenschachtel vor den tödlichen Gefahren des Rauchens. Und nur die Gnade einer Bildbearbeitung Kamera hat alle seine Rückblicke in sanfte Unschärfe gehüllt.

Ein Glück, werden manche Leser denken, denen der Kopf schwer und traurig ist von wilden Feiern, Alkohol con gaz und Konfettitrubel, ganz zu schweigen von den Giftgasdämpfen bleierner Zeiten beim Silvesterorakel. Nun wollen sie einen Rollmops und eine Zigarette, um weniger verschwommen geradeaussehen zu können. Ja, einen toten Fisch auf ein Holzstäbchen spießen statt ihm eine letzte Gnadenzigarette, mit der er sein Leben aushauchen kann, zu gewähren, das ist natürlich ok. Aber wehe, man schreibt Silvester mit y. Da seid ihr wach.

Mein Rückblick auf 2017 braucht keinen Nebel. Für mich war das ein ganz schönes, teilweise schön irrwitziges und auch schön anstrengendes Jahr, um das mal vorsichtig zu sagen. Offene Türen, Menschen, die sich, etwas spooky, tatsächlich für mich interessieren, sehr merkwürdige und aufregende Konstellationen vom Verpassen und Wiederfinden, von neuer Kraft und alten Ideen und einer gewissen Ruhe. So als stünde man vor einem neuen Haus und einem neuen Leben und hätte sich zur Pulskontrolle erstmal eine angesteckt. Bloß nicht umdrehen, sagt man ja. Jedenfalls nicht zu sehr. 2018, kannst kommen.

>>> Geräusch des Tages: PJ Harvey, Down By The Water


 


Mittwoch, 16. September 2015


Am Ende ist alles schlumpf



In der wie eine durch Wunderkräfte energetisierte Wasserquelle verehrten und von schulpflichtigen Kindern mit im Kanon vorgetragenen lobpreisenden Liedern aus dem Jahreskreis bedachten losen Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr kommen wir hier heute im albernen Café zum Schlumpf (Schlumpfus schlumpfus).

Seine Existenz, obschon durch zahlreiche Schriften und dokumentarische Filme belegt, ist seit Jahrzehnten ein strittiges Thema nicht nur unter franko-belgischen Naturforschern, seine wissenschaftliche Einordnung im Linné-System der unerhörten Phänomene ebenso. Ich als gelehriger Schüler Jean-Henri Fabres zähle den blauen Gesellen zu den sozial lebenden Kleinsäugern, die über gewisse (und in diesem Sinne verblüffende) Kulturtechniken verfügen. Darunter zählen die Verwendung von Kleidung (ähnlich dem Igel, der sich im Herbst Blätter zur Bedeckung zusammenrecht) und einer im stark restringierten Code gehaltenen "Sprache". Der Name des Lebewesens leitete sich aus dem unverständlichem, stark vernuschel ten Lautäußerungen ab, der gleichwohl als ein Verständigungssystem zu werten ist, das den Individuen eines Gruppenverbandes

Ich weiß es doch auch nicht.


 


Dienstag, 16. Juni 2015


Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund



In der wie ein laut "Gelati! Gelati!" rufender und mit einer Glocke durch die sommerheißen Straßen bimmelnder Eiswagen aus den Dolomiten von überhitzten Teenagern in kurzen Hosen frenetisch bejubelten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr kommen wir nun zum kleinen Vogel (Regaliosus).

Dieses spitzschnabelige Exemplar fand sich an einem frühlingswarmen Tag zu Fuße eines Hamburger Bürohauses, offenbar, so die forensische Tatortuntersuchung durchgeführt von einem Herrn Kid Mulder, abgestürzt aus größerer Höhe, ein Fenster wohl in den oberen Etagen. Es handelte sich, so ergaben die weiteren Untersuchungen und Zeugenbefragungen, um einen Highflyer, einen High Performer, der das Ende seiner persönlichen Fahnenstange erreichte beim Versuch, seine persönliche Grenze zu challengen und als echter Überflieger die Entscheidungsträger ganz oben zu beeindrucken. Jedoch hatte die Roadmap, zu der sich der kleine Entrepreneur committed hatte, einen unüberwindbaren Milestone. Eine Deadline.

Oder auch Selbstgerechtigkeit, vielleicht ließ er sich aufhetzen, stieg hoch mit heißer Luft und wilden Gerüchten unter dem Flügel, vergaß, woher er kam und wo seine Freunde waren. Vielleicht wollte er an die Tische fern von billigen Krumen und abgestandenem Wasser, dorthin zu den Versprechen auf Austern und Champagner. Vielleicht kam er der Sonne bloß zu nah. Die Hybris des Ikarus.

Es hat sich also ausgeschnäppert, ausgepiepert, end of business, und wichtig ist nun nur noch, was bleibt. Die letzte Botschaft, die er als Schattenspiel auf den Boden krallte. Leicht verzerrt, wie ein Captcha, damit es nicht von seelenlosen Maschinen gelesen werden kann. Aber deutlich. Ein Unken? Eine Mahnung? Eine zittrige 37.


 


Freitag, 27. Juni 2014


Schwarze Sommer



Es regnet. Wunderbar warm aus graueren Wolken, die am Hafen sich um Schiffsschornsteine und Ladekräne wickeln. Endlich ist der Sommer da. Mit seinen kürzer werdenden Tagen, den ausgelebten Sinnlosigkeiten hinfließender Kleidung, Träumen und Gedanken, den Dressings auf Picknicksalaten. Mir, in schattige Ecken gedroht von heiteren Mienen, müssen Memento-Moris Mahnung sein. Drück die dunklen Freunde enger an dich, Mensch! Es kann nicht jeder Tag ein FlipFlop-Tag sein.

Nie aber ist man zu alt, sich vernünftige Hobbys zu suchen. Wie etwa die achtzigjährige Elinor Wrobel, ehemalige Krankenschwester und ambitionierte Kunstsammlerin. Die hat einst eine umfangreiche, vergessene medizinische Sammlung aus den staubigen Ecken der Pathologie eines Krankenhauses in Sydney gezogen. In tapfer erkämpften Räumen des Krankenhauses kuratiert sie nun ihr eigenes "Morbid Anatomy Museum", angetan von der Schönheit der Exponate und ihrer Mahnung an unsere Vergänglichkeit.

>>> Hier ein kurzer Film.


 


Sonntag, 30. März 2014


Mausetot

Komm nach Haus/
Kleine Maus/
Wir ziehen uns/
Die Sachen aus

(Volksweise)



Durch Fährnisse und Geschehen von Wegen, Wandern und Entdecken abgeschnitten, geriet die bei Jungfrauen jeden Alters beliebte und wie von zuckriger Herzensgüte kandierte, bei Teenagern frenetisch gefeierte, aber bescheiden gebliebene Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr lange, allzulange sträflich vernachlässigt. Höchste Zeit also anzuknüpfen an vom Staub befreite Tradition und salbungsvolle Tugend, ehe die Gegenwart zur sterbenden Vergangenheit geworden ist, über die wir in Zukunft nicht mehr reden wollen.

Kaum steigen in Hamburg die Temperaturen, reißen sich bekanntlich die Bewohner die Klamotten vom Leib, schmeißen sich rücklings auf die Wiese, strecken alle Viere von sich und zeigen frühlingslüstern ihr kontaktbegünstigendes Inventar. Als älterer und vor allem sittlich gefestigterer Mensch mag man da den Kopf schütteln, allein, die Klagen verhallen ungehört.

Manche immerhin, so wie diese Kleinmaus (mus musculus miniaturis) greifen schamhaft noch zum Feigenblatte, notdürftig Dekolletée und Dings bedeckend. Deutlich sieht man hier, wie auch Körperhaare wieder sprießen, ungehemmt einer längst vergangen geglaubten Mode nach, wohl, so die starke Vermutung, weil es fürs Rasieren keine App gibt. Ein Ganzkörperhipsterbart, möchte man vermuten. Diese Maus aber gibt in Modedingen keine Auskunft.

In frühlingslauer Luft aber hat der Tod sich angeschlichen, ein herbstliches Blatt über das frühfrivole Ding gebettet. Ein sorgsamer Akt, ein sanftes Geschehen und mirabellensüße Mahnung. Hütet euch, ihr zarten Geschöpfe, mag er sagen. Verkühlt euch nicht in jahresfrühen Nächten, in denen wintrige Finger mit letzter Kraft euch tasten.


 


Samstag, 14. Juli 2012


IGEL-Leistung muß sich wieder lohnen



In der gleich der glücklichen Kühen von Hand abgemolkenen und von empfindungshungrigen Mäulern gierig getrunkenen Milch der frommen Denkungsart heißdurstig begehrten schreckschraubenlockeren Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr kommen wir heute zum Igel [Erinaceus europaeus].

So ein Igel hat es schwer. An seinem Stachelkeid perlt nichts ab, so wie es Schmutz und Schmand an einer Ente tun. Die kann durchs Laub watscheln und schauen, unbeschadet auch mal nass werden, an ihr bleibt nichts hängen, keine Beschuldigung, kein böser Traum, kein Regen, keine Tränen, nichts. Der Igel als Sandrechen der Erinnerung harkt alles auf, beschriebenes wie unbeschriebenes Blatt, hält fest und ordnet und rackert sich auf diese Weise bis in den Herbst, nach dem ihm dann ein erschöpftes Schläfchen winkt. Die Unbekümmerten im Garten indes danken es ihm nicht. Sie säen nicht, sie rechen nicht, doch siehe, sie liegen doch den lieben langen Tag auf aufgeräumtem Rasen, betrachten dies als selbstverständlich und haben für das abendliche Schnaufen ihres Kollegen im Stachelarbeitsanzug nur Hohn und Schulterzucken übrig.

Wohl wird unser fleißiger Geselle darob pieksig, macht spitze Bemerkungen wie eine widerborstige Spaßbremse, die sich rückwärts durch die Luftballonparty einer Krankenkasse robbt. Was ihn schnell aus der allgemein akzeptierten, wohlgefälligen Inklusion befördert. Ehe er sich versieht, ist der Igel extra. Und ehe man sich selbst versieht, heißt es, Laub rechen? Das kostet extra. Denn der Igel macht katalogbestückt die beleidigte Diva, streckt zum letzten Gruß den Mittelfinger raus und sagt: "Genossen, wir hätten Freunde sein können. Aber jetzt macht euren Scheiß allein, ich mach die Biege", und flüchtet sich in seinen letzten Winterschlaf.


 


Mittwoch, 6. Juni 2012


Geschichten, die mir Google erzählt

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search request kunst mit toten tieren


 


Freitag, 16. Dezember 2011


Der Blogger und das liebe Vieh



Wenn man einmal anfängt, ein Thema genauer zu studieren, ergibt sich ja gerade am Anfang alles wie von selbst. Ein Buch führt wie zwangsläufig zum nächsten, ein Experte zum anderen und bald hat man alles auf 80 Disketten gespeichert und im Forschungslabor verteilt. Freis Allgemeine Pathologie für Tierärzte darf ich hier sicher als bekannt voraussetzen, ein Standardwerk, ohne dessen Kenntnis ich meine Dozentur hier ich nicht weiter fortsetzen brauche.

Weniger bekannt ist das weidezaunweisende Werk von Otto Kraft: Die kriminalistische Untersuchung von Tiervergiftungen. 1965 in Berlin erschienen, war es bislang nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich ("... darf nicht an unberechtigte Personen weitergegeben werden"). Dabei sind hier wertvolle Erkenntnisse über Taubenvergifter und Kälberwürger erfasst. Da mir derzeit der weiträumige Alkoholabusus ärztlicherseits verboten ist, interessiert mich gerade dieser Komplex. Die Mehrzahl der dem Alkoholismus verfallenen Rechtsbrecher, so erfahren wir auf Seite 71, hatte keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Auch fehlten "Charakterbildung fördernde Interessensgebiete" (das ist wie heute, wo ich den Leuten immer sage, Leute, ihr interessiert euch auch echt für nichts). Schon allein hieran, so Kraft weiter, sind die bis in unsere Zeit hineinreichenden, persönlichkeitsschädigenden Auswirkungen der ehemaligen kapitalistisch-junkerlichen Verhältnisse auf dem Lande deutlich erkennbar.

Kraft führt aus: Die Säufer leben auf dem Land. So sei "im Bezirk Schwerin (...) im Jahre 1963 der Spirituosenverbrauch pro Kopf der Bevölkerung um 2,37 Liter höher als im Bezirk Dresden (hauptsächlich Industriegebiet)." Ein Umstand der schlimme Folgen zeitigen kann, wie im Fall des Trinkers K., der sich durch "unbelehrbares Verhalten" vom Kollektiv abtrennte und "Schädlingsarbeit [leistete], indem er in der Absicht, die sozialistische Landwirtschaft zu schädigen, bewußt angesäuerte Magermilch [...] an die Kälber verfütterte. (S. 72) Trau, schau, wem heißt es also, nicht nur in der Liebe, auch in der Landwirtschaft.

In Kapitel 4.5. ("Die Tierleichenbesichtigung") kommt man dann zum Detektivspielteil. Ob Sherlock, ob Fox Mulder oder als sein eigenes CSI-Team, kriminalistisch geschulte Tatortuntersuchungsmethoden (es ist wie in der Immobilienwirtschaft: Lage, Lage, Lage) sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufklärung. Stacheldraht im Futtertrog? Leere, braune Arzneiflaschen im Gehege? Alles Anzeichen für einen böswillig manipulierenden Eingriff.

Und wozu, höre ich fragen, braucht man das? Prodesse et delectare: Ob mir das für die dereinst noch aus dem Reich der Berufs- und Selbstverwirklichungsträume zu holende Imkerei auf Neuseeland nützlich sein wird? Angesichts des ja immer irgendwie überraschend eintretenden Bienensterbens bin ich fast sicher. Ich jedenfalls bin bereit.


 


Dienstag, 29. November 2011


Mach doch mal was mit toten Tieren



Nein. Ich bin nicht mit Emily Blunt Amy Adams Emily Blunt in den Sonnenuntergang entflohen, ich bilde mich fort. Angekommen im neuen Leben bereite ich mich auf die Zukunft vor: Die Krise ist da, heißt es. Der Schweinekapitalismus mit seiner Fratze wird einen letzten Grunzer tun, das Geld wird verschwinden, Leistung wird wieder selbst getragen werden müssen und allen eine kleine Parzelle zugewiesen werden, auf der Zuckerrübe, Kartoffel, Rote Beete und Sellerie wird wachsen können. Und ein Schwein. Auf Kuba hält man die Schweine in den Dachgärten der Häuser, wir hingegen könnten dafür unsere Nebenzimmer nutzen oder leergeräumte Bankschließfächer.

In unserer Zukunft der Selbst- und Kleinstversorger jedenfalls wird Hausschlachtung das neue Nachbarschaftsfest. Groß, Klein, Alt und Jung werden sich versammeln, während die wenigen Blogger, die sich noch auf Tiertötung verstehen, Schweine und Kleinvieh vom Tier zum Fleisch befördern, auf Haken hängen, ausbluten lassen und ausnehmen, zerteilen und verteil... Halt! Moment!

Bevor sich die gierige Meute auf die sülzigen Stücke stürzen darf, braucht es selbstverständlich eine Fleischbeschau und zwar nicht die, die ihr sonst so im Internet macht. Gilt es doch Krankheiten und Unpäßlichkeiten auszuschließen, selbst wenn man nur im Supermarkt an der Fleischtheke steht und sich fragt, was da so grünlich in der Aufschnittschale schimmert oder warum sich die Cellophanverpackung ins Vulgäre wölbt. So spielte mir also ein glücklich zu nennender Zufall auf dem Flohmarkt dieses fruchtbare Lehrbuch in die Hände.

Nach dem abendlichen Käsebrot studiere ich nun eifrig die grundlegenden In- und Auswändigkeiten von Rippe, Hüfte, Haxe, weiß, daß Grün keine wählbare Alternative auf frischen Schweinehälften ist und daß alles, was sehr klein ist und lebt, das Fleisch in aller Regel ungenießbar macht. (Lesen eigentlich noch Vegetarier mit?)

Viele Dinge kommen in Erinnerung, die die meisten schon vergessen haben dürften: Die Rinderzunge besitzt (im Gegensatz zur Pferdezunge) einen starken Rückenwulst, eine schlanke Zungenspitze und auf dieser zahlreiche Wärzchen, die sich sichelartig anfühlen und nach hinten gerichtet sind, so daß man beim Überstreichen über die Piste der Rinderzunge ein Gefühl hat wie beim Streichen über eine starre Bürste. Interessant und lebensnah auch die Beobachtung, daß "männliche Tiere [...] nach erlangter Geschlechtsreife einen regelwidrigen Geruch zeigen [können]. (Ebergeruch, Bockgeruch, in seltenen Fälen auch Bullengeruch)."

Fans von James Herriot (Der Doktor und das liebe Vieh) werden das ein oder andere erinnern (Lungenseuche! Schweinepest!): Mit einem Arm bis zum Ellenbogen in einer Kuh, den schnurrigen Lebensweisheiten verknöcherter Bauern aus dem lieblichen Yorkshire lauschend und dabei immer das Wohl der Nutztiere und ihrer Verzehrer im Auge. Ein Buch für jede Hausapotheke also und zur inneren Vorbereitung auf kommende Festlichkeiten, wenn Mutter die Gans wieder zu lange auf der Arbeitsplatte hat liegen lassen. Hände waschen nicht vergessen.

(R. v. Ostertag, V. Goerttler. Lehrbuch für Fleischbeschauer. 27. Auflage. Berlin, Hamburg: Parey, 1958.)