Rock and Hamburg



So, die Bandagen können ab, es wird Zeit für den Nachbericht: "Rock and...? Rock and...?" Genau: Rooooock and Wrrrrrestling! So heißt das Hohelied in Hamburg einmal im Jahr, wenn alle Arbeit ruht, Krankheiten geheilt und Handy und Smartphones aus sind. Denn es liegt bereits Wochen vorher eine gefährliche elektrische Spannung über dem Hafenklang, traditionell Austragungsort für das Rock & Wrestling (wenn man von den Garagendächern und Hinterhöfen in den Anfangsjahren absieht). Und wenn es dann losgeht und sogleich Bier, Schweiß und Nebel wie Weihrauch in der Luft (und auf den Kameralinsen) liegt, weiß man gleich: Hallo, Guten Tag, ich bin zuhaus.



Diesmal hatten alle ihre Kreuze im Kalender richtig markiert, so daß nicht ausgerechnet ich als einziges aufrechtes Fähnlein im Orkanwind des organisierten Großradaus stehen mußte. Wir erinnern uns an letztes Jahr. Ich kann sicher auch in der eisernen Lunge, möchte das aber nicht ausprobieren müssen. Heuer aber alles gut, das ganze Team vollständig angetreten, bis auf den Herrn B. aus B., der natürlich aber immer wieder eine Chance eingeräumt bekommt. Überhaupt ganz viele Bekannte dort, krachende Hände, die auch außerhalb des Rings im Rücken landeten, oft beschriebene Momente der sozialen Zusammenrottung. Und gleich noch mehr Freunde gewonnen und Menschen beeinflußt. Die Musiker der Ricky Kings zum Beispiel, denen ich den Verstärker nach draußen trug damit es endlich mal weitergeht und damit eine lebenslange Freundschaft begründetete. Wer will, der kann auch!, heißt es ja immer so lieblich - und ein Simulant wie ich könnte zum Beispiel als Roadie arbeiten, sollten mich Not oder Langeweile treiben.




Genug vom eitlen Ich geschwätzt, die echten Kämpfer warten: Eingeheizt von Don Pedro, dem besten aller Ringrichter und -moderatoren, und Dolly Duschenka, der besten aller Nummerngrrrls, erlebten wir bald eine munter geführte, höchst sportliche Rangelei alter und neuer Heroen: das Krümmelmonster, eine vergessene, arme Seele aus dem gleichnamigen, nahegelegenen Kernkraftwerk, der böse Kommander Kernschmelze, Kampfroboter Bento V im ultimativen Fight gegen derdiedas gut durchgegenderte Pinkzilla, Loooony Lobster natürlich (der am Ende völlig zurecht Publikumssieger wurde), Dangerpilz, The One and Only (dem großartigen und großartig umtriebigen Baster natürlich, aus dessen Komet das Ganze wesentlich erwachsen ist), Miss Liberty, der abgefeimte Don Shrimp (ich muß hier einfach den neutralen Boden des objektiven Berichterstatters verlassen), der Eismann, der das Publikum mit großzügig verteiltem Speiseeis gewann und viele Tapfere mehr. Schön wieder die lokalpolitischen Bezüge, etwa wenn das Team St. Pauli aufs Mauli mit den Engeln dieses Stadtteils einen dort ebenfalls berühmt-berüchtigten Impressario ordentlich mit aus Gefahrengebietzeiten berühmt-berüchtigten Klobürsten verhaute. Da schreibt man doch keine Briefe an die Mopo, das trägt man fair im Ring aus!



Zeit, erneut ganz unbescheiden diesen peinlichen Stunt zu beichten, den ich schon mehrfach, aber nicht oft genug andeutete. Weil ich nämlich gar nicht mit mehreren Bierflaschen in der Hand von der Bühne ins Dunkel springen kann, ohne mich abstützen zu können. Die Idee, dazu die Ringseile zu nutzen, war selten blöd, mein Gesichtsausdruck sicherlich auch - aber es hat ja kaum jemand mitbekommen, und wenn ihr die Klappe haltet, erfährt das auch nie einer. "For a long time I've been without style or grace" (Talking Heads), aber nun sieht es, wenn man es positiv wendet, so aus als könne ich bald mitkämpfen, jetzt, wo ich Ringluft bereits recht bodennah geschnuppert habe. Stark.



Anschließend gut durch zur Aftershow-Party, anschließend dem aufgähnenden Morgen entgegen zum Auskühlen am Hafen entlanglaufen, irgendwo ein Taxi finden, dessen Fahrer mit mir nicht über Uber diskutieren will ("Ach, jo. Jo, jo.") und auch ein Trinkgeld ausschlägt. Das ist eben dieser Respekt, der einem zurecht entgegenschlägt, wenn man nur mit einem T-Shirt vom Rock'n'Wrestling-Merchandisingstand bekleidet durch die wildgepeitschte Hamburger Nacht reitet. Müßt ihr auch mal machen, das Leben zeigt gleich eine ganz andere Seite!

Vorher vielleicht noch mal die Hymne hören? Nik Neandertal singt sie euch.

>>> Nik Neandertal, Die Hymne

Radau | 22:01h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
dosron - Montag, 4. August 2014, 02:02
"... zum Auskühlen am Hafen entlanglaufen, "

Genau richtig.

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kid37 - Montag, 4. August 2014, 12:25
Nachts, Lichter, Schiffe... das ist wirklich eine schöne Strecke immer.

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hora sexta - Montag, 4. August 2014, 09:38
Nur eines: Sie sollten Ihrem Team ein paar Bodyguards (zu Deutsch Körperaufpasser) beimischen. Ansonsten alles okay so.

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kid37 - Montag, 4. August 2014, 12:26
Mir reichte schon eine Nurse.

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kreuzbube - Montag, 4. August 2014, 16:31
kid37 ist mit dem Bier der Länge nach hingeknallt!
Soll man aber nicht weitersagen.

"es hat ja kaum jemand mitbekommen"

Das wird wohl daran liegen, dass, wie ich nach den Berichten hier vermute, das mit dem Bier auf die Fresse fliegen dort eine völlig normale, nachgerade sozialübliche Fortbewegungsart ist.

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kid37 - Montag, 4. August 2014, 19:43
Learning to crawl
Da ist was dran, rund auf St. Pauli sind ja die merkwürdigsten Fortbewegungsarten und Special Moves etabliert. Insofern sollte ich mich mal gar nicht so aufspielen.

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frau eff - Montag, 4. August 2014, 18:54
Mal abgesehen davon, dass ich Sie schon grenzelos dafür bewundere, welche Uhrzeiten Sie aushalten, sind das auch GROSSartige Fotos...!

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kid37 - Montag, 4. August 2014, 19:42
Oh danke, inklusive Bier- und Trockeneisnebel auf dem Sensor. Ich war tatsächlich länger nicht so lange aus, aber ab und an schaffe ich das (wieder).

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mayers - Montag, 4. August 2014, 19:27
Dazu kann ich jetzt nur das passende Buch "Der grosse Mandel" aus der Detektiv Trilogie mit Mandel und Singer vom Berni Mayer empfehlen. Mucke gibt es dazu übrigens aus dem selben Hause auch.

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kid37 - Montag, 4. August 2014, 19:36
Ach. Solange der Herr nicht endlich mal persönlich dort aufkreuzt, bleib ich stur.

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