In der Hoffnung auf eine Elefantenstampede

Oh wonderful one
Why are you like that?
Glow in the darkness,
That's how we do it.

(Warpaint, "Stars")




Die Vorband störte immerhin nicht großartig. All We Are aus Liverpool, was zu vorhersehbaren Bühnenkalauern ("We are All We Are") führte. Teilweise klangen die wie Anna Calvi im staubigen (Achtung,doppeldeutiges Wortspiel:) Weinkeller, also Gothic-Heulboje im Stimmwebengewand, teilweise völlig bizarr wie "Die Bee Gees bringen eine Neo-Gothic-Platte" raus. (Inklusive leichtem "funky" Daumengekloppe auf dem Bass.) Nette Leute aber, die sich freuten, als Band aus Liverpool in Hamburg zu spielen. Drohende Weltkarriere wie diese andere Kapelle usw. Hübsche Halbakustikgitarren auch.

Derweil liefen unbemerkt vom Publikum Emily Kokal und Stella Mozgawa an mir vorbei, ungefähr in dem Abstand von Nasenspitze zu Bildschirm, später noch Theresa Wayman, alle unprätentiös unauffällig in Hoodies oder usselige Jeansjacken gepackt. Aber mir entgeht ja nichts. Ich habe mich aber nicht zwecks Autogrammerschleichung in den Weg geworfen, das wäre in meinem Alter auch ein wenig zwielichtig. Gillian Anderson dürfte mir allerdings den Unterarm signieren. Den, den ich seit Jahren nicht gewaschen habe, weil dort mal Amanda Palmer ihren Schweiß abrieb. Dabei bin ich gar kein Fan von Amanda Palmer, aber es war immerhin ihr echt erarbeiteter Schweiß.

Zurück zu den Frauen von Warpaint. Die erwähnte Schlagzeugerin hatte Geburtstag, leider bogen die Jungs, äh Mädels es diplomatisch ab, daß ein Ständchen gesungen wurde, sozusagen ein "Song for Stella". Dabei wäre das sicher nett gewesen, spätestens aber beim Warten auf die Zugabe. Aber junge Leute: am Ende hat keiner mehr daran gedacht.



Im Publikum viele junge Mädchen, die immer wieder ihre mit Städtenamen ("Hamburg, New York, Konstanz") bedruckten Leinenbeutel auf die Schulter zupfen mußten. Dazwischen Altmänner, und man muß sagen: Schlimmer als angegraute Altpunkrocker sind nur angegraute, bärtige Altökos mit inneren Jesuslatschen. Das mußte die Band aber nicht stören, die plauderten freundlich und hielten sich unbeirrt an die Setliste.

Mit "Beetles", selbstgebauter Kalauer, hätten Warpaint selbst eine hübsche Hamburg-Anspielung inklusive drohender Weltkarriere im Songgepäck gehabt, gepielt haben sie stattdessen aber das tolle "Bees" und später noch "Undertow". Und viele Stücke vom neuen Album, die Single "Love Is To Die" natürlich, "Hi", "Biggy" oder "Keep It Healthy". Und ja, die eher ruhigen neuen Lieder wachsen mit dem Hören, live allerdings finde ich die dennoch nicht die erste Wahl.

Der Auftritt also fein gefaltet souverän, alles sehr auf Kante, aber auch frei von gelösten Schnürsenkeln oder anderen Überraschungen. Erst am Ende, als sie die Elefanten von der Bühne rollen ließen, gab es noch mittelausuferndes Gejamme. Allerdings wirken selbst diese "freien" Passagen mittlerweile enttäuschend routiniert und eingespielt. Ein wenig Rotz, ein wenig Geburtstagsekstase wäre kein Schaden gewesen. Irgendetwas besonderes, so am Abend vor Weiberfastnacht. Leute, schafft Erinnerungen!

Ich dann schnell in den Mantel, am Gitarrenladen vorbei, in dessen Schaufenster das "Jaguar"-Modell von Emily Kokal hängt. Ein bißchen S-Bahn-Dösen, seit langer Zeit verrauchte Kleider am Körper, träge Erinnerungen wie die eines freigelassenen Elefanten. Kriegsbemalung runter, dann Bett.

>>> Warpaint live at Noisemakers, wo Stella Mozgawa zeigt, was Arbeit heißt.

Radau | 23:27h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
maphisti - Freitag, 28. Februar 2014, 01:17
Ihre Fotos ... die bunte Vielfalt ... wieder mal : einsame Spitze! Wirklich! Die Atmosphäre kommt ganz eng rüber!

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kid37 - Freitag, 28. Februar 2014, 13:05
Ich konnte mich leider nicht bis ganz nach vorne durchkämpfen. Aber ich war denen ja auch so ganz nah.

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maphisti - Freitag, 28. Februar 2014, 22:27
Das kann ich echt nachempfinden, wenn man da hingeht.

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frau eff - Sonntag, 2. März 2014, 19:45
großartige Fotos!

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kid37 - Montag, 3. März 2014, 14:07
Vor allem großartig, mal wieder draußen gewesen zu sein. Ich weiß gar nicht, wie die Nacht das ohne mich gemacht hat die letzte Zeit.

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carodame - Sonntag, 2. März 2014, 19:50
Fein flockig - leichtfüßiger Bericht. Bei " innere Jesuslatschen" habe ich gejuchzt! Herrlich. Dankeschön.

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kid37 - Montag, 3. März 2014, 14:06
Ich sehe die Rückkehr des Modelltyps "Rainer Langhans" als Disco- Club-Kuschler voraus.

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