Freitag, 27. Juni 2014


Schwarze Sommer



Es regnet. Wunderbar warm aus graueren Wolken, die am Hafen sich um Schiffsschornsteine und Ladekräne wickeln. Endlich ist der Sommer da. Mit seinen kürzer werdenden Tagen, den ausgelebten Sinnlosigkeiten hinfließender Kleidung, Träumen und Gedanken, den Dressings auf Picknicksalaten. Mir, in schattige Ecken gedroht von heiteren Mienen, müssen Memento-Moris Mahnung sein. Drück die dunklen Freunde enger an dich, Mensch! Es kann nicht jeder Tag ein FlipFlop-Tag sein.

Nie aber ist man zu alt, sich vernünftige Hobbys zu suchen. Wie etwa die achtzigjährige Elinor Wrobel, ehemalige Krankenschwester und ambitionierte Kunstsammlerin. Die hat einst eine umfangreiche, vergessene medizinische Sammlung aus den staubigen Ecken der Pathologie eines Krankenhauses in Sydney gezogen. In tapfer erkämpften Räumen des Krankenhauses kuratiert sie nun ihr eigenes "Morbid Anatomy Museum", angetan von der Schönheit der Exponate und ihrer Mahnung an unsere Vergänglichkeit.

>>> Hier ein kurzer Film.


 


Donnerstag, 19. Juni 2014


Nachrichten aus einem entspannten Leben

Die Tücken des Alltags umschiffen sich elegant gekleidet bekanntlich behaglicher. So sitze ich hier in meinem Cary-Grant-Hausmantel und setze den Datenverlusten sanftmütige Duldsamkeit entgegen. Nicht auszudenken, trüge ich ein angeschwitztes Rock'n'Roll-T-Shirt mit Bsrrrrrkr-Bandlogos bedruckt oder Sprüchen wie "Hate starts with Hello!" Ach, was war ich früher unentspannt! Heute habe ich besseres gelernt und weiß: Wer seinen Körper nicht mit sanften Stoffen umschmeichelt, ist höchstwahrscheinlich auch kein Spitzenverdiener. Oder so wie ich bloß auf der Suche nach raren Stücken, die mir ein entspanntes Leben versprechen. So finde ich zarte Lyrik, den bekleidenden Zauber zu beschreiben:

Bei dem hier angebotenen Luxussakko sind sämtliche Einlagen leicht und beweglich eingenäht. Solche Sakkos sind für Spitzenverdiener gefertigt. Das wunderbare Innenfutter aus hochwertigem Cupro in silbrigem weiß bildet eine fantastische Harmonie zu dem hell elfenbeinfarbenen Oberstoff. Das Material ist absolute Spitzenklasse: 100 % Schurwolle. Das Sakko ist luxuriös elegant und für ein entspanntes Leben bestens geeignet. Es ist sehr weich und anschmiegsam. Er fällt mit einem Gehschlitz besonders elegant. [Q]

Ein Buch müßte man zusammentragen aus den lyrischen Perlen dieser exquisiten Angebotskunst. "Bücher für Spitzenverdiener!", gebunden in silbrig glänzenden, entspannenden Stoffen für den Aufenthalt bei einer "Pferdesportveranstaltung" oder "am Steuer einer Hochseeyacht", wie es in einem anderen Angebot heißt.


 


Samstag, 14. Juni 2014


Freitag, der 13.

Oha. Das war ein fataler Einschlag. Blogger.de war kapott und ist es zum Teil auch noch. Hier sind fast alle Bilder weg, drüben bei Rost sogar das komplette Layout. Hier im Blog sind allein über 2600 Fotos betroffen. Ob, wann und wie ich die manuell wieder nachtrage, mag ich noch nicht sagen.

Ich weiß, jeder steht Blogs ganz unterschiedlich gegenüber. Das reicht vom rotzigen com.egal bis zum tapferen die Welt für mich. Das muß halt jeder selber sehen. Danke an Dirk für die Mühe und den Einsatz, blogger.de wieder zum Laufen zu bringen. Die gute Nachricht ist, daß die Einträge grundsätzlich alle noch da sind.

Weitermachen.


 


Sonntag, 8. Juni 2014


You keep me coming home again



Kaum schaut man kurz nicht hin, man hat seinen Anorak gerade hübsch eingeknuffelt, bricht Sommer aus. Ich sitze dann abends noch lange am Fenster, warte bis die letzten Boote vorbei sind, trunkene junge Menschen meist mit Landjugend-Diskothekenmusik an Bord, und darauf, daß sich die Wohnung ein wenig abkühlt. Vorher ist an Schlaf ja eh nicht zu denken.

Ich selbst höre dann die beste Band der 80er-, 90er- und 2000er-Jahre, warmes Gitarrenperlen und munteres Schringschring zu nonchalanten, aber wichtigen Mitteilungen. "You keep me coming home again" (was im speziellen Fall Sonic Youth mittlerweile einen gewissen bitteren Humor in sich trägt. Aber geht es einen was an? Ich habe eine Meinung, mische mich aber nicht ein.)

Man könnte auch über Land fahren, "Reena" im Ohr. Die Musik verlangt aber ein Auto, einen blubbernden Motor und einen Ellenbogen, der sich in die Sonne bohrt. Sich unterwegs gedankenverloren den Dreck von den Knien rubbeln.

Bis dahin einfach so pfingstbegeistert Lieder nachpfeifen, sich kleine Parolen fürs Leben basteln. Die Brüche nicht zu lange in Gips halten.


 


Mittwoch, 4. Juni 2014


Wien, zu Food




Die schöne Stadt Wien ist unter vielen anderen Dingen berühmt für seine aufwendig gestalteten, prunkvollen Fassaden und exquisites Essen mit vielen Einflüssen der ehemaligen k.-u.-k. ("Küche und Kulinarik") - Länder. Kurz gesagt gilt zum Beispiel das Schnitzl als ein nahrhaftes, gesundes und allgegenwärtiges Schmusi für hart arbeitende Einheimische und hart staunende Touristen gleichermaßen. Für einen Butterbrotmann wie mich indes ist es immer wieder ein Erlebnis, von gutherzigen Menschen aus- und in vernünftige Speiselokale geführt zu werden, uniformierte Kellner, interessante Gäste und umfängliche Konsumationskarten zu bestaunen.



Nun möchte ich ja nicht als unzivilisierter Trampel in die Geschichtsbücher eingehen, sondern einen guten Eindruck schinden und nonchalant ein wenig Weltläufigkeit demonstrieren, beschloß daher folglich, nicht das naheliegendste - also ein gut durches Schnitzl - zu wählen, sondern mit fester Stimme etwas von den in okkulter Küchensprache codierten prunkvoll gestalteten Gerichten zu bestellen. Während ich also in schwitziger Spannung das Abenteuer Speisekartenlotto spielte, wanderte der Blick meiner charmanten und weltläufigen Tischgenossin die Angebote rauf und runter, bloß um mit ebenso fester Stimme "Ach, I nehm a Schnitzl" zu befinden. Und so kam es dann auch, links und rechts den Teller überlappend, während ich - düpiert, mißtrauisch und Hungergefühle dämpfend - eine sehr exquisite, drum aber auch überschaubare Installation von Chi-Chi auf Ur-Chi-Chi an anderem Chi-Chi betrachtete, die wie ein Yenga-Turm in die Mitte eines irgendwie übergroß erscheinenden Tellers platziert war.

So also wird man gefoppt, dachte ich, beschloß, es dem kleinen Aas heimzu entschlossen und mit guter Miene das Gebilde zu zerlegen und möchte abschließend bemerken: sehr lecker war's.

Später dann ein launiger Heimweg, quer durch die ja recht fußläufig bezwingbare Stadt, durch milde Nacht, vorbei an Erinnerungspunkten, Lokalen und nachtglitzernden Cafés. Wie sich überhaupt alles ganz schnell und wie natürlich zu einem schönen Bild zusammenfügte, das ich wiedererkennen konnte.


 


Donnerstag, 29. Mai 2014


Ezra

Es ist zwar ein bekannter Effekt, zu manchen Menschen, die man nur virtuell über ihr Blog kennt, mit der Zeit eine Zuneigung zu entwickeln. Weil man mag, was sie schreiben und wie sie es schreiben, welche Einblicke sie gewähren, sich mitteilen und ihr Leben teilen. Einigen fühlt man sich aber besonders nah auf diese ja doch irreale Weise. Tänzer, Fotograf, cooler Fahrradbauer, uns allen ein guter Nachbar: Ezra ist am 24. gestorben.

Von wegen Krankheit als Chance. So eine Scheiße braucht kein Mensch.

>>> Fastboy

| von kid37 um 03:47h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 22. Mai 2014


Die hermetischen Cafés






Die Stadt Wien ist bekanntlich bekannt für ihre Caféhauskultur. Jeder findet hier seins. Da gibt es welche, da gibt es nichts. Oder Sissis Süßes oder was Französisches. Oder italienische Radsporträder, die zur wohligen Hipster Bobo-Betrachtung im Fenster hängen. Man sitzt der Sitte nach also recht international so rum, mit Verdruß und Genuß, rührt in seinem Heißgetränk, betrachtet die Zeitung, die Menschen, das Selbst und den Regen und hat damit Stunden seines Lebens sinnvoll verbracht.

Es gibt alte Cafés und neue Cafés und solche, die nichts taugen. Aber man kann sich dort verabreden oder den trüben Tag einen guten Mann sein lassen. Kleinigkeiten speisen, Gebackenes oft und unerhörte Gedanken hegen. Über den Tod und die Mädchen, den Regen und das Denken darüber, und schon hat man Stunden seines Lebens sinnvoll verbracht.

Oder man murmelt so wie die anderen murmeln, lauscht dem Klang der kleinen silbernen Löffel, die gegen Porzellantassen schlagen oder den von Gabeln auf Tellern. Rührt in Kaffees mit bildhaften Namen, schweigt über Plänen oder wartet aufs Schicksal. Und schon hat man Stunden seines Lebens sinnvoll verbracht.