Montag, 16. November 2015


Adrift



Es sind schon ein paar Minuten nach 12. Es bleiben einige wenige wertvolle Momente, Erinnerungen, kleine Dinge, die man festhält. Das Schweigen für wenigstens eine Minute. Die Traumpfade der eigenen Mythologie nachgehen, am Ende sagen, es ist schon gut, wie es ist. Jeder hält sich an sich selber fest.

In 20000 Days on Earth gibt es eine gruselige Szene, in der Nick Cave bei seinem Therapeuten erzählt, wie er als Kind gefährliche Abenteuer in Australien erlebt hat, vor dem heranrauschenden Zug von einer Brücke in den Fluß gesprungen sei. Und wie er es bedauere, daß seinen eigenen Kinder solche Abenteuer heutzutage verwehrt blieben. Und wie er an einer anderen Stelle erwähnt, daß sich Geschichten und das Leben nur im Nachhinein erschließen. So wie das schockierende Schicksal eines seiner Söhne, das er damals ja nicht erahnen konnte.

Was wir brauchen für das Ende der Welt ist ein Überlebenskit. Selbsterhaltende, autonome Systeme, das vorweggenommene Leben an einer Maschine.

Ende Oktober 2007, das ist meine allernächste Verbindung dazu, wollte ich ein Konzert besuchen im Pariser Bataclan. Es war aber schon ausverkauft und dann unternahm ich nicht einmal diese Reise, wie ich so vieles nicht unternommen hatte in diesem Jahr, weil mir einiges klar wurde, anderes aber ums Verrecken nicht. Wie man durch die eine Tür geht, nicht aber durch die andere und nie weiß, welche Bedeutung es hat.

So wie das Mädchen, das aus Paris erzählte, daß sie nur deshalb überlebte, weil sie sich gerade mit ihrem Freund zerstritten hatte und schon einmal hereingegangen war, um die Rechnung zu bezahlen, als draußen die Gäste beschossen wurden. So muß denn jeder Schritt, jede Entscheidung als richtig betrachtet werden.

Wenn sonst nichts weiter geschieht. Wenn man die Geschichte erzählen kann.