Samstag, 22. Dezember 2012


Federweich



Nur kurz, ich habe keine Zeit, es ist Zeit für die Weihnachtsvorbereitungen. Heute Vormittag durch den frischgefallenen Schnee zum auch biologisch erzeugte und in Marken gehüllte Produkte veräußernden Süper Ü um die Ecke gestapft. Auch dort sind sie bereits da: Ein junges NeonNido-Pärchen nebst mitgeführtem in handgeflochtenem Freies-Wendland-Weiden-Maxicosi gebetteten Säugling, er so mit platzeinnehmendem Rucksack und Beanie-Mütze, das Klitzekind mit Beanie-Mützchen, sie so mit Einkaufswagen-im-Weg, und alle blockierend am Gemüsestand. "Sollen wir das mitnehmen oder lieber das?" säuselten die tiefenentspannten Gespräche, während unwirsche Arbeiterviertelrentner, die nun wiederum an einem Samstag auch nicht gerade einkaufen gehen müssen, versuchten, um das Kleinfamilienensemble zu kurven. "Ach, weißt du, was wir machen: wir nehmen was von dem hier mit, das kann man voll schön überbacken!" Entzücktes Jauchzen, ob dieser spontanen Idee, während ich gleichfalls spontan und aber auch entspannt, denn ich habe ja alle Zeit der Welt, versuchte, ebenso entschlossen wie einer dieser Arbeiterviertelrentner, aber mit Berechtigung am Samstag einzukaufen, um das Paar zu kurven. "Sollen wir nicht auch sowas hier reintun, für mehr Konsistenz?" wurde aber erst einmal raumgreifend weitere Essenspläne diskutiert, so daß Die Blockade am Gemüsestand (wie ich mein daraus entstehendes nächstes Buch nennen werde) anhielt.

Es ist eben Fest der allgemeinen Teilhabe. Warum vorher alles besprechen, Zettel machen, alle Dings zackzack in den Wagen und Platz machen, wenn man die essentiellen Dinge des Leben auch just in time vor allen Leuten zum Gemeinschaftserlebnis machen kann. Das wird noch hübsch werden mit diesen Gentrifizierern, die hier nach und nach einströmen und bald Klage führen werden, daß hier ja nix sei, während Alteinwohner wie ich am Stehtisch vor "Moni's Imbiss" ("Frühstück ab 5") mißmutige Blicke werfen werden. Muß man elastisch bleiben.

Daheim dann in Cary-Grant-Hausjacke geworfen und beschlossen, eine Schallplatte mit Weihnachtsliedern abzuspielen, um endlich mal feierliche Stimmung anzuleiern. Das ist ja ein Klassiker am Weihnachtsfest, Mann in Cary-Grant-Hausjacke, Frau sagt, ach, spiel doch mal die schöne Platte, dann wird grummelnd im Schallplattenstapel gesucht nach den "20 Greatest Christmas Hits" mit Bing und Mahalia und nach einem Jahr Betriebspause der Schallplattenspieler angeschaltet. Und immer und immer wieder kommt die erstaunte Klage (meist an Heiligabend, aber ich bin organisiert, ich teste das vorher schon): "Er geht nicht!" Wie. Ja, er geht nicht. Wie. Der Plattenspieler. Er geht nicht. Aber wir wollten doch die schöne Platte hören. Ja-ha, aber er geht nicht. Wie. (brummel, brummel, Mann rappelt am Gerät, betätigt Schalter und bewegliche Teile) Komisch, das ging doch neulich noch. Letztes Jahr. Ja, letztes Jahr.

Aber das ist oft im Leben so. Was vor einem Jahr noch ging, geht dann eben nicht mehr. Wer wüßte das besser als ich. Also die Ärmel der Cary-Grant-Hausjacke hochgekrempelt, das Feinwerkzeug geholt, den Plattenspieler ausgebaut, die Explosionszeichnungen, die ich vor Jahren mal aus diesem Internet heruntergeladen habe, (Ein Jingle für das Internet!) studiert und den kleinen über eine ausgefuchste Hebelmechanik bestätigten Ein-/Ausschalter am Motor nachgefettet. Schon lief er wieder an. Wieder alles zusammengebaut. Läuft. Oh, er geht nicht mehr aus. Round an around läuft der Teller... never, never, never stop (Bunnymen).

Also noch mal ausgebaut, die komplizierten Hebelläufe studiert. Offenbar eine Zugfeder, die entspannt wie eine Bilderbuch-Nidofamilie keinen ordentlichen Zug mehr drauf hat. Also mit der Sezierpinzette ("Schwester...") die Feder ausgebaut. [gekürz. Fssg.] Feder wiedergefunden und zum OP-Tisch getragen. Etwas gekürzt, nachgebogen. Wieder eingebaut [gekürz. Fssg.]. Läuft. Na ja, noch nicht so richtig, aber schon. Ich meine, der Tonarm hebt jetzt nicht mehr automatisch ab. Da muß ich noch mal in die Explosionszeichnung schauen. Könnte ein größeres Projekt werden, ideal zum Beispiel für stille Weihnachtstage, wenn man sonst nichts anderes (z.B. eine Eisenbahn) aufbauen muß. Oder sich selber.

Jetzt mal schön CD hören.